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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der Vredenhof auf Schiermonnikoog

Bis zum Jahre 1906 war es auf der niederländischen Wattenmeerinsel Schiermonnikoog üblich, die Leichen angespülter Seeleute an Ort und Stelle am Strand zu verscharren.

Der damalige Feldwächter Sake Van der Werff beendete diesen unwürdigen Zustand mit Hilfe des deutschen Besitzers der Insel, Graf von Bernstorff: Er überließ dem Kommunalbeamten der Insel ein Stück Land in den Dünen. Auf ihm legte Van der Werff die Begräbnisstätte Vredenhof (= Hof des Friedens) an. Obwohl es Van der Werff (1870-1955) zum bedeutendsten Hotelier der Insel Schiermonnikoog brachte, wobei ihm sein ausgepräger Hang zur Selbstdarstellung gute Dienste erwies, sah er den Vredenhof als sein eigentliches Lebenswerk an. Intensiv versuchte er, die Identität der Toten festzustellen und Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen. Soweit feststellbar, schmückte er am Geburts- und Todes- beziehungsweise Auffindungstag das Grab.

Eine erhöhte Inanspruchnahme erfuhr der Dünenfriedhof im Ersten Weltkrieg, als zahlreiche Seeleute aus England und Deutschland ihre letzte Ruhestätte auf Schiermonnikoog fanden. 1925 konnte Van der Werff mit Hilfe zahlreicher Sachspenden niederländischer Baufirmen eine Kapelle errichten, wobei der geschäftstüchtige Gastronom nicht vergaß, sich dort sichtbar zu verewigen – und das Anwesen in seinem dem Tourismus dienenden Bemühungen einzuflechten.

Mit der deutschen Besatzung von 1940 bis 1945 kam der Hotelier ausgesprochen harmonisch aus. Auch dazu hat der Vredenhof beigetragen: Als im Mai 1940 ein Offizier der Royal Airforce bestattet wurde, trat ganz selbstverständlich eine Abordnung der Wehrmacht an, um dem – ausdrücklich so erwähnten – "Kameraden" mit Kranz und Salut militärische Ehren zu erweisen. Kurz darauf fanden 16 französische und englische Opfer der Schlacht von Dünkirchen auf dem Vredenhof ihr Grab; ihnen folgte sodann der erste deutsche Soldat des Zweiten Weltkrieges.

Schließlich mußte der Friedhof vergrößert werden, im Mai 1943 war das 100. Grab belegt. Zur Zeit zählt der Friedhof 113 Grabstellen, davon 96 Opfer verschiedener Nationen des Zweiten Weltkrieges, darunter vier deutsche. Alle Gräber sind einheitlich und mit einer schlichten Steinplatte versehen. Sie trägt den Namen und die Daten des Bestatteten – oder aber lediglich eine Inschrift wie "Ein deutscher Seemann †4.11.1921". Innerhalb der Einfassungen sind die Grabflächen mit Muscheln bedeckt; Blumenschmuck ist nur ausnahmsweise zu finden.

Mit Nachdruck setzte sich Van der Werff nach Ende des Zweiten Weltkrieges dafür ein, daß den Toten die Ruhe gelassen werde. So nahmen sowohl die englischen als auch die US-Behörden davon Abstand, die Militäropfer ihrer Nation zu exhumieren und auf Zentralfriedhöfe beizusetzen. Die französischen Dienststellen indes beharrten darauf und ließen neun Tote umbetten.

Ein Grab auf dem Vredenhof entspricht jedoch nicht den Bestimmungen, die ausschließlich die Bestattung ertrunkener Seeleute und von Kriegstoten erlauben: Die niederländische Königin Juliana erfüllte den Wunsch des Friedhofsgründers Sake Van der Werff, seine letzte Ruhe nicht neben seiner Ehefrau auf dem Dorffriedhof finden zu müssen, sondern auf seinem Lebenswerk, dem Vredenhof, beerdigt zu werden.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Grabmal-Freilichtmuseen (August 2000).
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