Wenn Ende Mai/Anfang Juni auf dem Friedhof die Rhododendren blühen, wirken sie mit ihrer üppigen Blütenpracht wie ein Magnet auf die Spaziergänger.
Es gibt dort kaum einen Bereich, an dem die immergrünen Exoten nicht zu finden sind und mit ihnen unzählige Besucher. Das Herauszuhebende an diesem jährlich wiederkehrenden Blütenfest ist nicht wie bei anderen bekannten Rhododendronparks die Farben- und Formenvielfalt von Rhododendronzüchtungen, sondern das massenweise Vorkommen nur einer bestimmten Kulturform, nämlich die von Rhododendron catawbiense 'Grandiflorum', eine Züchtung der im Nordosten der Vereinigten Staaten heimischen Wildform. Benannt ist sie nach dem Fundort am Catawba-River in den Gebirgszügen der Apalachen. Der schottische Baumschulist John Fraser hat sie auf seiner Nordamerikareise von 1785 bis 1796 von dort auf die britische Insel mitgebracht. Er war im Auftrag des Zaren Paul von Rußland unterwegs, um in der Neuen Welt nach frostharten Gehölzen für dessen Hof in St. Petersburg zu suchen.
Bei dieser Rhododendronart handelt es sich um eine gedrungen wachsende und spätblühende Pflanze mit dichtem immergrünem Laubwerk. Sie ist wohl die Art, die am meisten zum Erfolg der Rhododendren als Gartenpflanze beigetragen hat. Ihre Kulturform 'Grandiflorum' wartet auf mit dekorativen purpurlila, olivgefleckten Blütenbüscheln. Bei optimalen Standortbedingungen, das sind atlantisches Klima, leichter Schatten, humoser und schwachsaurer Boden, ist dieser Rhododendron ein äußerst wüchsiges Gehölz, dessen niederliegende Äste sich leicht bewurzeln und damit eine fast endlose Breite erlangen können. Frei übersetzt heißt die Bezeichnung Rhododendron "Rosenbaum".
Wie viele andere Gehölze auch, wurde diese Züchtung im 19. Jahrhundert von der britischen Insel nach Norddeutschland eingeführt. In Hamburg war es die Baumschule James Booth & Söhne, die sich des Imports annahm. Der Begründer der Firma ist im engen Zusammenhang mit der Entwicklung der "Ornamented Farm" - ein Mustergut nach englischem Vorbild - des Barons Caspar Voght zu sehen. Der Baron holte den Gärtner James Booth 1794 aus Schottland nach Klein Flottbek und betraute ihn mit der Bepflanzung seiner Ländereien. Kurz vor Auflösung der Firma 1884 verkaufte diese weit unter Katalogpreis etwa 57.000 Stück Gehölze an den Friedhof, darunter auch 1.000 Rhododendrenpflanzen in verschiedenen Arten, so auch Rh. catawbiense maxima als besondere Pflanzen, die Verwendung finden können an Raendern oder auch als selbständige Gruppen, Grundstock für den heutigen Bestand.
Eine auffällige Vermehrung des Bestandes auf dem Friedhof erfolgte erst etwa 70 Jahre später, als nach dem II. Weltkrieg und besonders im Linneteil des Friedhofs umfangreiche Sanierungsarbeiten an Gehölzflächen durchgeführt werden mußten. Eigens dazu nutzte man die Flächen oberhalb des Prökelmoorteiches (etwa AG-AJ 44) auf denen gerodete, geteilte und zurückgeschnittene Rhododendren für einige Jahren aufgeschult wurden. Ihre Wüchsigkeit brachte schnell und laufend weitere Exemplare dieser Kulturform hervor, die dann überall auf dem Friedhof ausgepflanzt wurden und nunmehr den Friedhof prägen.
Aus gartendenkmalpflegerischer und aus ökologischer Sicht ist das damalige Vorgehen bedenklich einzuschätzen; denn mit diesen Pflanzaktionen sind viele ursprüngliche und zeittypische Vegetationsbilder wohl für immer verdrängt worden: Wo sind die blühenden und platzsparenden Hecken und Rahmenpflanzungen des Gartenfriedhofs im Linneteil geblieben, warum kann sich der waldartige Baumbstand im Cordesteil nicht durch nachwachsende Junggehölze selbst am Leben erhalten und warum entwickelt sich hier keine bodennahe Krautschicht, von der wiederum Singvögel und Insekten profitieren? Die Antwort liegt auf der Hand: Weil zugelassen und gefördert worden ist, daß die Rhododendren sich nach Belieben Raum greifen und damit konkurrenzlos behaupten können. Bei aller Freude über die Blütenpracht möge der Spaziergänger auch über diesen Tatbestand informiert und aufgefordert sein, auch zu anderen Jahreszeiten durch die dann dunklen Rhododendrenschluchten zu wandeln, um nach heimischen Gehölzen zu fahnden.