Die fast 500 m lange Sichtachse, von der Mittelallee nach Süden bis hin zum Heckengartenmuseum, ist auf dem Friedhof Ohlsdorf mit seinen angrenzenden Bereichen ein Kernstück und gestalterischer Höhepunkt der Planungen von Otto Linne.
Er war ein vehementer Verfechter der Friedhofsreformbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts, die bestrebt war, in Deutschland eine grundlegende Reform der Friedhofsgestaltung im Sinne der neuen Gartenkunst einzuleiten und sich dabei von Ästhetisierung der Friedhöfe in Form künstlich geschaffener, landschaftsparkähnlicher Friedhöfe abwandte. Seine Gestaltungsweise droht seit Jahren auch im Bereich der genannten Sichtachse durch ausufernden Gehölzwuchs zu verwischen, bzw. ist in einigen Bereichen nicht mehr sichtbar. Um dem entgegenzuwirken, gab der Förderkreis 2005 eine gartendenkmalpflegerische Bestandsanalyse und Neukonzeption in Auftrag. Auf dieser Grundlage entfernte die Friedhofsverwaltung den Wildwuchs am sog. Z-Teich und bepflanzte die Böschungsoberkanten alleeartig mit pyramidal wachsenden Gehölzen. Der Förderkreis ließ dann dort das seit langem geplante Linnedenkmal errichten. Das Ergebnis war eindrucksvoll und optisch überzeugend. Unsere Planungen, danach auch die Sichtachse nach Süden eindrucksvoll wieder alleenartig bepflanzen zu lassen, sind jedoch fehlgeschlagen. Da dieses Vorhaben dem Förderkreis ein großes Anliegen ist und auch finanziell viel investiert worden ist, hält der Vorstand es für angezeigt, seinen Mitgliedern den vollen Wortlaut des ablehnenden Schreibens der Friedhofsverwaltung vom 22. November 2008 zur Kenntnis zu geben:
Sehr geehrter Herr Dr. Mauss, sehr geehrter Herr Schoenfeld,
nach unserem Gespräch am 20. Oktober 2008 habe ich das von Ihnen beabsichtigte Vorhaben nochmals mit den verschiedenen Gremien in unserem Hause erörtert und diskutiert. Nach sehr intensiver Auseinandersetzung mit dem Vorhaben und nach Abwägung der einzelnen Argumente teile ich Ihnen mit, dass wir das Vorhaben der Pflanzung von zwei Baumreihen im Bereich Mittelallee/T-Teich nicht tragen können.
Für die Pflanzung der Baumreihe ist es erforderlich, die bestehende Strauch- und Baumpflanzung beidseitig komplett zu entfernen. Dieses ist ein nicht unerheblicher Eingriff in den Naturhaushalt. Diese Pflanzung ist bedingt durch ihre Artenzusammensetzung und ihren Strukturreichtum ein Lebensraum und Rückzugsgebiet für eine Vielzahl von Tierarten gerade im Zusammenspiel mit der angrenzenden offenen Wasser- und Wiesenfläche.
In den zurückliegenden Jahrzehnten wurden von den HF angrenzend die heutigen Grabfelder angelegt. Diese Grabfelder werden durch die Beseitigung der Gehölzpflanzung völlig freigelegt. Damit wird die Gestaltung der jeweiligen Grabanlagen verändert. Die Veränderung hat Auswirkungen auf die Grabnutzer, die Kunden der HF. Ebenso wird die Umgestaltung des Bereichs einen anderen Pflegestandart und Pflegeaufwand verursachen.
Aus den erwähnten Gründen teile ich Ihnen mit, dass das Vorhaben von uns nicht unterstützt werden kann. Ich bedaure, dass ich Ihnen dieses nicht schon in unserem Gespräche am 20. Oktober abschließend mitteilen konnte und bitte um Verständnis für die Entscheidung.
Wir wissen, dass dieses Projekt eine "Herzensangelegenheit" in Ihrem Verein darstellt, zumal der Abschnitt am Z-Teich dank Ihrer Idee und großen Unterstützung erfolgreich umgesetzt werden konnte. Wir würden uns freuen – gemeinsam mit Ihrem Verein – andere Projekte, insbesondere mit Bezug zur Gartendenkmalpflege, weiterhin zu realisieren. Ein mögliches Projekt wäre hier z.B. die Rekonstruktion der Grabfelder am T-Teich im Bereich BK 54 und BK 55.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Wirz
Zur Unterrichtung der Leser sei angemerkt, dass der besagte Gehölzstreifen vor etwa 15 Jahren in Unkenntnis der historischen Bedeutung der Gesamtanlage gepflanzt worden ist. In seiner Artenzusammensetzung entspricht er solchen Gehölzen, die allgemein als Vogelschutzgehölze gelten. In der ursprünglichen Gestaltung und Bepflanzung gab es in diesem Bereich auf jeder Seite einen Fußweg, begleitet jeweils von zwei Baumreihen. Vom Förderkreis ist vorgeschlagen worden, in Abstimmung mit der Gartendenkmalpflege auf jeder Seite nur eine Reihe von Bäumen mit markantem Wuchs zu pflanzen, um den architektonischen Charakter der Sichtachse erlebbar zu machen. Für dieses Vorhaben stand ein fast kostendeckender Zuschuss der Stiftung Denkmalpflege Hamburg zur Verfügung. Mit der Haltung der Friedhofsverwaltung ist die Chance vertan, auf dem Friedhof auf Dauer und annähernd denkmalgerecht eine vom Architekten gewollte imposante Freiraumwirkung wieder herzustellen.
Der Eingriff in den vorhandenen Gehölzstreifen wäre zugegebenermaßen erheblich und für den Friedhofsbesucher zunächst auch optisch störend, aber wie in ähnlichen Vorhaben Hamburgs – im Bahrenfelder Volkspark oder Winterhuder Stadtpark – mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit machbar. Irgendwann wird ein solcher Eingriff in den augenblicklichen Bestand dennoch notwendig werden. Denn, um die Funktion des Vogelschutzes erhalten zu wollen, wird wie bei einem Knick das Zurücksetzen auf den Stock notwendig. Oder die baumartigen Gehölze gewinnen an Höhe und Breite und lassen den Unterwuchs verkahlen, mit Sicherheit werden dann die angrenzenden Grabfelder sichtbar. Insgesamt wird sich dem Betrachter im Laufe der Zeit rechts und links der Wiese ein sehr differenzierter und auswuchernder Waldsaum mit romantischen Blickperspektiven darstellen; das ehemals strenge barocke Achsensystem eines architektonischen Friedhofs und seine zeittypische Bepflanzung als Bestandteil des Gesamtkunstwerkes Friedhof Ohlsdorf wird der Unachtsamkeit vergangener Generationen dann zum Opfer gefallen sein. Eine mögliche optische und dauerhafte Abschirmung der dahinterliegenden Urnengrabfelder im Rahmen der vorgeschlagenen Baumpflanzung ist nicht diskutiert worden.