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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

"Mein letzter Garten" ein neues Gesicht unter den traditionellen Grabarten

Am Mittwoch, 7. Mai 2003, stellte Karlsruhes Bürgermeister Ullrich Eidenmüller als damals zuständiger Dezernent für das Friedhofs- und Bestattungswesen das neue Gräberfeld der Presse vor.

Viele interessierte Bürgerinnen und Bürger hörten der Einweihungsrede zu. Bevor der Bürgermeister mit einer symbolischen Handbewegung das Wasser zum Fließen brachte, stellte er das Feld 24 vor. Hier einige Auszüge aus seiner Ansprache: "In Karlsruhe haben wir schon immer versucht, unsere Angebote an den Wünschen und Bedürfnissen unserer Bürgerinnen und Bürger auszurichten. Eine Weiterentwicklung des seit Jahren bewährten Angebots stellt diese neue Grabanlage auf dem Hauptfriedhof dar. Ausgangspunkt der Überlegungen für dieses Angebot war zum einen die grundlegende Veränderung in unserer Gesellschaft, die auch bei der Entwicklung unserer Friedhöfe deutlich erkennbar ist. Wo früher für Großfamilien die Pflege und Unterhaltung des Familiengrabes eine Ehrensache war, wird die Grabversorgung heute für viele Alleinstehende oder Singles ein größeres Problem. Vor allem dann, wenn der Beruf auch noch eine sehr hohe Mobilität verlangt. Zum anderen ist es mittlerweile der Wunsch vieler Menschen, auch bei der Begräbnisstätte einen stärkeren Bezug zur Natur herzustellen.

Das Erscheinungsbild dieses etwa 5.000 Quadratmeter umfassenden Friedhofsbereiches gleicht eher einem Park als einem Friedhof. Wasser sollte bei der Anlage dieser Landschaft das prägende Element neben dem alten Baumbestand darstellen. Beim Bau des Wasserfalles und zur Gestaltung der Landschaft wurde Gertelbacher Granit aus dem Schwarzwald verwendet.

Jeweils neun bis zwölf Einzelgräber befinden sich in den von kleinen Buchshecken eingefassten Kleinflächen, für die ein gemeinsames Grabzeichen aufgestellt worden ist, das mit den persönlichen Daten der Beigesetzten beschriftet werden kann. Da es sich generell um Wahlgräber handelt, ist auch die Beisetzung einer zweiten Urne sowie die Verlängerung der Nutzungszeit möglich. Nach den Beisetzungen werden die Grabbereiche mit unterschiedlichen Dauerbepflanzungen versehen."

Anschließend sprach Professor Reiner Sörries, Leiter des Sepulkralmuseums aus Kassel, als Festredner. Er fühlt sich sehr mit dem Hauptfriedhof in Karlsruhe verbunden und stellt seine weithin anerkannte Kompetenz der Friedhofsleitung zur Verfügung. Für ihn war es eine Freude, dass hier ein zukunftsträchtiger Schritt mit Vorbildcharakter getan wurde. Er sagte unter anderem: "Dies ist die Geburtsstunde für eine neue Friedhofskultur. Bundesweit als erste Anlage dieser Art wird sie bald Nachahmer finden. Ich bin davon überzeugt, dass das Gräberfeld von den Karlsruhern gut angenommen wird! Die Stadt Karlsruhe hat alle Anstrengungen auf sich genommen, eine Bedarfsanalyse zu machen. Der Wandel der Zeit wurde hier erkannt. Unser Gesellschaftssystem erlaubt uns eine freie Entfaltung der Persönlichkeit. Warum sollten wir mit unserem Tod auf dieses Recht verzichten? Warum sollten wir uns der Möglichkeit berauben, durch eine individuelle Bestattungskultur Akzente zu setzen, wie wir es im Leben getan haben? Vom Wasserfall bis hin zum ausgetrockneten Flussbett wird symbolisch auf die Vergänglichkeit hingewiesen. Terrassenförmige Urnenfelder verlaufen zum Flussbett, um dort in einer schönen Wiese eine Mitte zu bilden. Ein sieben Meter langer Eichenstamm am Rande der Wiese dient als Grabzeichen. In den Stamm können die Namen der Verstorbenen eingegeben werden." "Hätte es nicht schon eine Epoche der Romantik gegeben, so wäre sie hier erfunden worden" stellte Professor Sörries fest.

Mit der Gestaltung einer Landschaft wurde eine neue Bestattungsmöglichkeit geschaffen, die nicht nur in Karlsruhe, sondern auch bundesweit neue Maßstäbe setzen soll. Abweichend von den bisherigen Erscheinungsbildern auf Friedhöfen, bei denen sich Grab an Grab reiht und die Hinterbliebenen einen ganz bestimmten Flecken versorgen und betreuen, wird eine landschaftlich ansprechende Fläche gestaltet, in der sich die künftigen Grabstätten dezent einfügen. Diese neue Form der Bestattung will die Hinterbliebenen in ihrer Trauerarbeit unterstützen und ihnen den Gang zum Friedhof erleichtern. Bei der Planung und Ausführung wurden unterschiedliche Elemente der Landschaftsgestaltung bewusst ausgesucht und zu einem Gesamterscheinungsbild zusammengefügt, das sich harmonisch in den Friedhof einfügt. Der Wasserfall mit einem sich daran anschließenden versiegten Bachbett verleiht dem Feld einen meditativen Charakter. Die Gliederung des Bereiches erfolgt mit verschiedenen Bäumen. Besondere Stauden und Pflanzen, wie beispielsweise Bambus, vermitteln dem Ganzen einen mitunter fernöstlichen Eindruck.

Mit den neuen Angeboten sollen verschiedene Gruppen angesprochen werden. Zum einen sind dies die der Natur im besonderen verbundenen Menschen. Auf der anderen Seite soll mit dem Angebot der immer stärker werdenden Nachfrage begegnet werden, alles aus einer Hand bzw. "all inclusiv" zu erhalten. Die Grabflächen werden inklusive der Versorgung der Grabbereiche sowie der unterschiedlichen Grabzeichen im Paket zu einem Festpreis angeboten. Damit ist die eigentliche Grabpflege integraler Bestandteil dieser Bestattungsalternative und muss von den Angehörigen selbst nicht ausgeführt werden. Hinterbliebene sollen sich nicht um die Grabversorgung kümmern müssen, sondern in erster Linie Zeit haben, sich der Erinnerung und dem Andenken an einen lieben Menschen hinzugeben.

Die Reaktion der Karlsruher Bürger/innen ist seit der Eröffnung überwältigend. Viele Menschen fühlen sich in ihren Bedürfnissen nach zeitgerechten Bestattungsformen verstanden. Und – die Friedhofsverwaltung erlebt seitdem einen gewissen Rückgang bei der Nachfrage nach anonymen Gräbern. Auch Erholungssuchende sind im "Letzten Garten" immer wieder zu finden.

Geplant ist zum Frühjahr 2007 eine Erweiterung dieses Feldes, wo wieder mit verschiedenen Geländebewegungen, mit Wasser, gestalteter Natursymbolik und einem Veranstaltungsplatz diese einmalige Anlage ein neues Gesicht erhalten soll. In diesem Bereich sollen auch Erdbestattungsgräber angeboten werden, so wie aufgrund der Nachfrage schon am Rande des ersten Feldes einige Erdgräber mit Naturstelen angelegt und mit einbezogen wurden.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Technik und Friedhof (Mai 2006).
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