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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Christliche Begräbniskultur in nachchristlicher Zeit

Die „Christliche Begräbniskultur in nachchristlicher Zeit” war Thema eines Seminars der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen in der Domstadt am Dreiländereck.

Dem Ort der Veranstaltung entsprechend wurden die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Fragen aus katholischer Sicht bewertet und beantwortet. Referenten waren Prof. Dr. Clemens Richter, Direktor des Seminars für Theologische Wissenschaften der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, und der Theologe und Psychologe Dr. Thomas Schnelzer, Privatdozent an der Universität Regensburg.

Friedhöfe, so Richter, seien aus theologischer Sicht (auf die Auferstehung) eigentlich nicht notwendig, dennoch: Mit der Bestattung der Toten habe die Zivilisation begonnen. So seien Friedhöfe zu Orten der Solidargemeinschaft Trauernder und des Protests gegen den Tod, Gräber zu Stätten des Gedenkens geworden.

In bezug auf Begräbnis- und Trauerkultur sei, so der Referent, unter dem Maßstab der Erlebnisgesellschaft eine geradezu atemberaubende Individualisierung und Rationalisierung festzustellen. Verstorbene würden zunehmend zu Objekten, „der Tod wird den Angehörigen aus der Hand genommen”– oder sie lassen ihn sich aus der Hand nehmen. Dabei nähmen letzte Verfügungen einen erheblichen Rang ein: Häufiger Wunsch alter Menschen sei ein Gehen, ohne Spuren zu hinterlassen – ohne Feier, ohne Grab. Mittlerweile lehne ein Drittel der Bevölkerung den Friedhofszwang ab.

Dabei kam das neue Bestattungsgesetz Nordrhein-Westfalens (s. auch „Ohlsdorf” Nr. 81 – II/2003 – Urne im Wohnzimmer?) ins Blickfeld des Seminars – und auch der Krematoriumstourismus in die benachbarten Niederlande mit ihren liberalen Einäscherungsvorschriften. Bemerkenswert: Nicht einmal bei den Bestattern unter den Teilnehmern am Seminar herrschte Einigkeit darüber, was nun im genannten Bundesland erlaubt und geduldet beziehungsweise weiter nicht statthaft ist.

Es sei schon erstaunlich, so der Theologe, wie weit sich seine Kirche dabei an den Rand habe drängen lassen und sich nicht widersetze. Da es schon jetzt nicht mehr ausreichend Geistliche gebe und sich diese Personalsituation weiter zuspitzen werde, seien zunehmend die Gemeinden gefordert, Tod, Bestattung, Trauer zu übernehmen. Dabei wies er auf die Tatsache hin, dass dieser Bereich in den weitaus meisten Teilen der Erde in den Händen von Nichttheologen liege.

Dabei stellte Richter heraus, dass eine christliche Bestattung nicht statthaft sei, wenn der Verstorbene dies so ausdrücklich gewünscht hat, zum Beispiel durch Austritt aus der Kirchengemeinschaft. Denn sakrale Trauerfeiern würden für die Verstorbenen gehalten – und nicht für Hinterbliebene. Es sei aber ein Gebot der Liebe, so Akademiedirektor Dr. Hans Hermann Henrix, für jene zu beten, die die Kirche verlassen haben.

Eine bewusste Trauerarbeit, so Thomas Schnelzer, unterstütze die Bildung bleibender Beziehungen zum Verstorbenen und helfe beim Überwinden des Schmerzes. Dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer zufolge sei es ein großer Trost, bliebe die Lücke, die ein Toter hinterlässt, unausgefüllt: Durch sie nämlich bleibe man mit ihm verbunden.

Der Schweizer Professorin für Psychologie an der Universität Zürich, Verena Kast, zufolge lasse sich Trauern und Trauerarbeit in vier Phasen zusammenfassen. Die erste sei die des Nichtwahrhabenwollens, der Erstarrung, Verstörtheit und Apathie. In der zweiten komme es zu aufbrechenden Emotionen, in der sich die unterschiedlichsten Gefühle ihren Weg bahnen. Sie hülfen dem Trauernden, seinen Schmerz zu verarbeiten. Phase drei drücke sich unter anderem im Suchen nach nun vergangenen Gemeinsamkeiten unter dem Aspekt der unwiderruflichen Trennung aus – und schließlich der Hinwendung zum Weiterleben, was jedoch Jahre dauern kann. Schließlich, in Phase vier, komme es zur inneren Ruhe und zum Seelenfrieden, wo der Tote seinen Platz gefunden habe. In Erinnerungen und Gedenken bleibe er ein Teil des Lebens des Trauernden.

Trauerschmerz, so die Psychologin, müsse durchlebt werden. Seine Akzeptanz und schließlich Überwindung kennzeichne einen gelungenen Umgang mit dem Tod. Das Sichfallenlassen, ungünstigstenfalls in Depressionen, sei indes ein misslungener.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Baumbestattungen (Februar 2004).
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