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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Nichts geht verloren - Ein Ausstellungsprojekt auf dem Friedhof Ohlsdorf

Autor/in: Monika Mai
Ausgabe Nr. 82, III, 2003 - August 2003

Was bleibt, ist die Erinnerung, und die Spuren, die eine Person im Leben anderer hinterlassen hat. Im Kopf und im Herzen.

Manche dieser Spuren sind Narben, andere, feine Lachfalten. Kein Leben vergeht spurlos in der Welt. Jeder Schritt hinterlässt Spuren, feine Zeichen von Anwesenheit. Jedes Wort, jeder Blick schlägt feine Wellen. Wird zu einem winzigen Puzzlestück der eigenen Geschichte. Vieles davon verdrängt und vergessen.

Wenn man stirbt sei alles vorbei. Das betrifft nur den Austausch von Worten und Handlungen. Die Beziehung wird nun einseitig und lebt von Erinnerungen; das ist der Verlust. Es fehlt die Erwiderung. Mit Blick, Wort und Körper.

Man sagt, erst wenn ein Mensch vergessen ist, ist er wirklich gestorben. Falsch. Wer kann wissen, wie viele Gedanken, Ideen und Werke als solches vergessen sind, aber tatsächlich noch als kleine Funken in den Köpfen existieren?

Der Mensch zerfällt in seine chemischen Bestandteile, aber diese bleiben erhalten und werden zu Teilen der sie umgebenden Natur und Atmosphäre.

Nichts geht verloren. Es verändert sich nur.

Als mein Vater vor acht Jahren starb, begann die Familie kurz nach seinem Tod die Erinnerung an ihn zu tradieren. Dies hatte er gerne gemocht, jenes hätte ihm nicht gefallen. Gute Eigenschaften wurden hervorgehoben, schlechte verdrängt. Und oft fielen Sätze wie "Das hätte ihn sehr gefreut" oder meine Mutter beklagte "Wir wollten doch noch so viel miteinander unternehmen."

Damals entstand die Idee, eine Ausstellung "über das Trauern und das Erinnern" zu machen. Und da ich seit den 1980er-Jahren für Museen arbeitete, sollte es natürlich eine Museumsausstellung werden. Jahre später wurde mir klar, dass man im Museum nicht unbedingt die Menschen erreicht, die dieses Thema aktuell betrifft.

Mittlerweile waren die Ideen zu einer Reihe von Installationen gereift und im vergangenen Jahr schlossen sich drei Kollegen dem Projekt an, mit denen ich schon bei unterschiedlichen Gelegenheiten zusammen gearbeitet hatte: Gerald Haenel von der Fotografenagentur GARP; Stephanie von Porbeck, Schreinerin und Designerin, die u.a. als Ausstatterin bei Film- und Theaterproduktionen arbeitet und Kerstin Müller, Grafikerin, mit der ich an einer komplexen Ausstellungs-gestaltung für das Schlossmuseum Quedlinburg gearbeitet habe. Die sechs Objektgruppen wurden auf ihre Machbarkeit überprüft und ein Kostenplan erstellt.

Im Juni dieses Jahres konnte der Friedhof Ohlsdorf gewonnen werden, das Projekt mit einer kleinen Freifläche und voraussichtlich einem Raum sowie Mitarbeitern zu unterstützen.

Die Ausstellung besteht aus sechs Installationen. Drei Objekte sollen in einem Innenraum ausgestellt bzw. gehängt werden. Zwei Installationen sowie ein Garten sind für das Parkgelände geplant. Dabei muss natürlich in besonderem Maße dem Pietätsgefühl der Besucher Rechnung getragen werden.

Die Finanzierung soll fast ausschließlich über Spenden- und Sponsorengelder und Sachspenden geschehen. Hiervon und vom Terminplan des Friedhofes hängt es auch ab, wann die Ausstellung eröffnet wird. Für die Ausstellung werden noch hilfsbereite Menschen gesucht, die sich für unser Projekt fotografieren lassen.

Ansprechpartner:
Monika Mai, [email protected], und Gerald Haenel, [email protected]

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Trauer und Musik (August 2003).
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