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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der Nordfriedhof in Neumünster

Sehenswertes Neumünster: Die Besichtigungen des Südfriedhofs mit Kapelle, Vaterunser-Weg oder faszinierend gestalteten Grabfeldern, dann des Skulpturenparks der Herbert-Gerisch-Stiftung bleiben schöne Erinnerungen der Tagesexkursion des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof am 17. September 2016.

Umso verlockender klang wenige Monate später das spontane Angebot unseres Mitglieds Jürgen Stieghorst aus Kiel, bei einer privaten Führung durch den Nordfriedhof teilzunehmen. So wurde am 25. Mai 2017 bei strahlendem Frühlingswetter eine siebenköpfige Gruppe von Uwe Kröger geführt. Was wir noch nicht wussten: Dieser pensionierte Architekt hat vor wenigen Jahren den Förderverein "Denkmal Friedhof" zur Förderung der Grabdenkmale der Friedhöfe des Kirchengemeindeverbands Neumünster ins Leben gerufen und leitet ihn bis heute.

Friedhofsmauer
Friedhofsmauer. Foto: C. Behrens

Der kleine Nordfriedhof mit heute 13 ha wurde schon 1869 eingeweiht und ist damit viel älter als der vis-à-vis liegende Südfriedhof (ca. 30 ha), der erst 1929 entstand. Beide kirchlichen Friedhöfe sind an der Plöner Straße mit Mauern eingefasst und der dortige Verein ist gerade dabei, die über 100 Jahre alte Mauer am Nordfriedhof zu sanieren (Kosten ca. 250.000 Euro). Dabei war die Aufgabe zum Beispiel beim besonders schön dekorierten östlichen Teil des Südeingangs nicht einfach, denn die fünf Nischen eines Feldes bestehen aus einem einzelnen, im Mauerwerk eingefassten Gusseisenstück.

Grabanlage Köster
Grabanlage Köster. Foto: C. Behrens

Eine andere Aufgabe des Friedhofs war die Restaurierung der Grabstätte vom Tuchfabrikanten Christian Friedrich Köster aus dem Ende des 19. Jahrhunderts (der vor dem ersten Weltkrieg errichtete Neubau in der Gartenstraße ist der bedeutendste Fabrikbau seiner Zeit): Die Anlage liegt direkt unter einer Buche, deren Wurzeln zuerst aufwändig freigelegt doch verschont bleiben konnten.

Uwe Kröger
Uwe Kröger zeigt ein altes Foto der Grabstätte Renck. Foto: C. Behrens
Renck
Grabstätte Renck heute. Foto: C. Behrens

Bei einer weiteren Restaurierung lag das Problem daran, dass kein vollständiges Bild des ursprünglichen kompletten Zustands der Grabstätte Renck (1894) auffindbar war. Nach einem ersten, nicht durchgeführten Entwurfsversuch entschied sich der Verein mit Genehmigung des Landesamtes für Denkmalpflege schließlich für eine andere, gelungene Lösung (Architekten Stölken-Schmidt aus Hamburg) – auch wenn der oben fehlende Teil überraschend modern wirkt. Wie gut so, denn erst nach Fertigstellung dieser Lösung wurde ein altes Foto aus einem Nachlass entdeckt: ganz anders als beim ersten Entwurf!

Mausoleum
Ehepaar Kröger vor dem Mausoleum Moll. Foto: C. Behrens

Das Prunkstück des Nordfriedhofs bleibt allerdings das Mausoleum Moll von 1913 – eines der eindrucksvollsten Mausoleen des Landes, das Kunstverstand und Reichtum des 1912 verstorbenen Besitzers einer Eisengießerei und eines Emaillierwerkes in Neumünster schön widerspiegelt. Die Qualität der Künstler und Bauausführenden zeigt sich an viele Details, etwa im schmiedeeisernen Ziergitter; unter der Kuppel, bei der schönen Trauernden aus Italien und den Sgraffiti-Malereien der Decke; oder bei den Terrakotta-Reliefs der Pfeiler und vor allem des Attikafries mit seinen wunderbaren musizierenden Engeln. Sieben Familienmitglieder sind in diesem Mausoleum bestattet worden; auch von Interesse ist die zuletzt restaurierte Gruft und nicht allein wegen des schönen hölzernen Sargs von Alexander/Sascha Moll, 1891–1917. Die Familie Moll gab 2008 die Grabstätte an die Kirchengemeinde – leider nach mehreren Diebstählen und anderen Verwüstungen in ziemlich schlechtem Zustand. Im gleichen Jahre wurde das Mausoleum beim Landesamt für Denkmalpflege als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung geführt; es gründete sich ein Förderverein, der ab 2009 trotz der hohen Sanierungskosten (ca. 80 000 Euro) mit Spendenaufrufen innerhalb von zwei Jahren dieses Mausoleum wunderbar restaurieren konnte. Eine tolle Leistung!

Sgraffiti
Sgraffiti-Malereien unter der Kuppel. Foto: C. Behrens
Engel
Musizierende Engel aus Terrakotta. Foto: C. Behrens
Sarg
Ein Sarg in der Gruft. Foto: C. Behrens

Trotz seiner bescheidenen Größe birgt der Nordfriedhof andere Schätze, von denen der tüchtige Förderverein manche im Visier hat. Demnächst will er zum Beispiel die Restaurierung dess ältesten Grabmals unternehmen. Es ist ein Gedenkstein aus Sandstein, dessen vordere Platte u. a. nicht mehr lesbar ist. Errichtet wurde er für die bei dem Brand von 1888 verunglückten Mitarbeiter der Tuchfabrik Köster; damals waren die Fluchtwege vom Feuer versperrt und die kleinteiligen Gusseisenfenster ließen sich nicht öffnen – so mussten die Menschen draußen ohnmächtig mitansehen, wie ihre Kollegen verbrannten… Ein Thema, das leider immer noch aktuell bleibt und vielleicht mit dortigen Schülern neu verarbeitet wird.

Gedenkstein
Gedenkstein des Brandes von 1888. Foto: C. Behrens

Die Grabstätte Sager aus Muschelkalk mit Jugendstilgitter und einem großen Christus am Kreuz ist die bedeutendste des Friedhofs nach dem Moll’schen Mausoleum; Anton Sager, gestorben 1951, hat die Tuchfabrik C. Sager & Söhne bereits vor dem Ersten Weltkrieg geleitet.

Sager
Grabstätte Sager. Foto: C. Behrens
Gedenkstätte 7 Steintafeln
Gedenkstätte 7 Steintafeln. Foto: C. Behrens

Erwähnenswert ist auch die Gedenkstätte mit den sieben Steintafeln des Bildhauers Hermann Pohl aus Kassel – dort zu finden, wo auf dem Nordfriedhof von 1868 bis 1972 die Kapelle stand.

Gerisch
Grabstätte Gerisch. Foto: C. Behrens
Hoch
Grabstätte Hoch. Foto: C. Behrens

Zu empfehlen ist darüber hinaus die Grabstätte von Herbert Gerisch (1922–2016): Sein großer Findling trägt die eingeritzten "Kissing Birds", die als Bronzeskulptur im Skulpturenpark der 2011 gegründeten Stiftung zu sehen sind. Oder ferner die von Dr. Hoch (1911–1981), der der Stadt Neumünster die wichtigste Stiftung vermacht hat, aus der unter anderem Stipendien finanziert werden; die Büste auf der Grabsäule stammt vom bekannten Bildhauer (Schüler von Edwin Scharff und Hans Martin Ruwoldt in Hamburg) Manfred Sihle-Wissel, der ebenfalls eine Büste von Herbert Gerisch machte…

Büste von Herbert Gerisch
Büste von Herbert Gerisch. Foto: C. Behrens

Neumünster hat noch viel zu zeigen, obwohl die auf den Stadtwappen dargestellten Tuchwerke inzwischen alle geschlossen sind (die letzte Tuchfabrik schloss 1991). Einmal im Jahr gibt es hier immer noch einen Stoffmarkt; und ein Besuch des dortigen Textilmuseums Tuch und Technik ist nicht zuletzt deshalb sehr empfehlenswert, als es verdeutlicht, welche Bedeutung dieser Industrie in Neumünster und Schleswig-Holstein zukam. Ebenfalls sehenswert ist aber auch die Vicelinkirche, ein bedeutendes Baudenkmal des Klassizismus (1829–1834) vom dänischen Architekten Christian Friedrich Hansen; das Gelände um die Vorgängerkirche von 1147 war übrigens 700 Jahre lang Friedhof des Kirchspiels Neumünster.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Die Cholera in Hamburg 1892 (August 2017).
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