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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Von der Todesanzeige bis Facebook: Trauerkultur und Medien gestern und heute

Die Trauer- und Erinnerungskultur befindet sich derzeit in einem grundlegenden Umbruch. Klassische Schauplätze, wie der Friedhof, verlieren zunehmend an Bedeutung.

Umgekehrt spielt der öffentliche Raum eine immer wichtigere Rolle. Dies gilt einerseits für den realen, andererseits für den digitalen Raum. Historisch kannte die Trauerkultur unterschiedliche Medien – von der Traueranzeige in der Tageszeitung über inszenierte Begräbnisse in Film und Fernsehen bis zu Facebook. Diese Medien haben sich maßgeblich auf Praktiken und Kommunikation von Trauer ausgewirkt.

Die Kulturwissenschaftlerin Sabine Schaper untersuchte jüngst am Beispiel eines tödlich verunglückten Jugendlichen die Praktiken der Trauer- und Erinnerungskultur auf dessen Facebook-Profil. Als Akteure traten sowohl die Kernfamilie als auch der Freundeskreis auf. Bedeutsam waren vor allem die hohe Zahl der anteilnehmenden User, die Vielfalt der kulturellen Muster und die kommunikativen Beziehungen untereinander. Als bemerkenswert zeigte sich darüber hinaus die relative Langlebigkeit der auf Facebook vollzogenen Trauerbekundungen – nämlich über mehrere Jahre hinweg. Sie geschahen im Übrigen parallel zu den klassischen Formen der Trauer vor Ort: von der Leichenaufbahrung und Trauerfeier über die Beisetzung auf dem lokalen Friedhof, der Grabgestaltung bis hin zu weiteren öffentlichen Trauerformen, wie einer schulischen Gedenkfeier. Insgesamt zeigt sich, dass digitale Praktiken die klassischen Formen der Trauer- und Erinnerungskultur nicht aufheben, sondern um neue Dimensionen erweitern. In diese Richtung verweist auch die Studie von Catrin Gebert über "Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter" aus dem Jahr 2009.

Überhaupt spielt der digitale Bereich für Trauer eine immer größere Rolle. Auch Traueranzeigen in der Tagespresse werden seit einigen Jahren immer häufiger digital veröffentlicht. Hier erweitert sich gegenüber der gedruckten Todesanzeige die Kommunikationsrichtung, denn online können – gegen entsprechendes Entgelt – digitale "Kerzen" angezündet oder private Trauerbekundungen veröffentlicht werden.

Bereits seit den 1990er Jahren sind so genannte virtuelle Friedhöfe und digitale Gedenkseiten bekannt. Nicht selten ähneln sie in der Gestaltung klassischen Grabmälern, gleichwohl bieten sie ausgefeiltere Möglichkeiten der Trauer. Manche Einträge umfassen seitenlange (Lebens-) Geschichten, persönliche Dokumente wie Tagebuchaufzeichnungen, Fotos, Videos, Musik, Erinnerungsobjekte. Die Möglichkeit, elektronische Botschaften zu hinterlassen, erinnert an die Kieselsteine, mit denen die Besucher jüdischer Friedhöfe den Toten ihre Reverenz erweisen. In ihrer Gesamtheit werden die Gedenkseiten mit einer riesigen labyrinthischen Erinnerungsstätte verglichen, in deren bisweilen mehreren tausend Einträgen man beliebig "spazieren" kann. Jenseits dieser privaten Gedenkseiten gibt es auch solche für berühmte Verstorbene sowie kollektive Erinnerungsseiten, zum Beispiel von Selbsthilfegruppen wie den "Verwaisten Eltern und trauernden Geschwistern in Deutschland e.V." (VEID). Es sei nicht versäumt darauf hinzuweisen, dass auch virtuelle Tierfriedhöfe zunehmend an Beliebtheit gewinnen.

Allgemein präsentiert sich die Trauerkultur des frühen 21. Jahrhunderts als multidimensionaler Ausdruck neuer wie auch traditioneller Elemente. Der neue Umgang mit dem Tod hat zum "Bestattungsritual im Übergang" (Corina Caduff) geführt. Es zeigt sich in der Auflösung traditioneller Rituale bei gleichzeitiger Entfaltung neuer Muster. Entstanden sind Patchwork-Zeremonien, in denen selbstbestimmte Elemente einen höheren Stellenwert als zuvor gewinnen. Die zeremoniellen Abläufe können ein persönlich gestaltetes und angelegtes Totenkleid umfassen, die Bemalung des Sarges, eigene Reden und eigene musikalische Darbietungen. Insgesamt steigt der Anteil individueller, das heißt nicht-ritualisierter Elemente. Die Hinterbliebenen greifen aktiv in die Gestaltung ein. Gleichwohl werden weiterhin grundlegende Elemente der Bestattung institutionell organisiert (Bestatter, Trauerredner und andere).

Das Bild vom Tod wird seit Jahrzehnten weniger durch primäre persönliche Erfahrungen – biografisch wird man häufig erst mit dem 40. Lebensjahr oder später mit dem ersten Todesfall in der eigenen Familie konfrontiert – als vielmehr durch mediale Vermittlung geprägt. Ist der Tod im privaten Alltagsleben faktisch weitgehend abwesend, so erscheint hingegen seine Präsenz in den Medien fast übermächtig. Dem Rückgang der biografischen, primären Todeserfahrung steht also die Präsenz des über die Medien vermittelten sekundären Todes gegenüber.

Wie die Ethnologin Wilma Kiener in ihrer Studie über "Todesrituale in Spielfilmen" (Berlin 2012) feststellt, gibt es in Bezug auf den Tod stets wiederkehrende filmische Situationen, Gesten und Mimiken im Umgang mit Tod und Trauer. In Komödien beispielsweise ist der "gute Tod", wenig verwunderlich, gleichzusetzen mit dem komischen Tod. So spielen der – nicht selten mit Hindernissen verbundene – Leichentransport und die Leichenbeseitigung aber auch das Wiederauftauchen der Leiche eine herausragende Rolle. In Dramen wird der Tod zum gesellschaftlichen Skandal, pathosgeladene Abschiedsszenen stehen im Mittelpunkt. In Action-Filmen spielen sowohl der plötzliche, gewaltsame Tod als auch die massenhafte Verwendung und der rituelle Gebrauch von Waffen, insbesondere Gewehren, eine zentrale Rolle.

Auch im Fernsehen erscheint der Tod als der Tod des Anderen. In den meisten Fällen ist es ein gewaltsamer Tod durch Verbrechen oder Katastrophen. Dieses mediale Bild vom Tod hat tendenziell jene traditionellen Verhaltensmuster und Rituale abgelöst, die auf konkreten sozialen Kontakten, beispielsweise innerhalb einer Familie oder Kirchengemeinde, beruhten. So sehr dies einerseits negative Auswirkungen für die gesellschaftliche Verankerung von Trauer haben kann, so hat sich andererseits durch den Einfluss der Medien auch eine neue Offenheit gegenüber Tod und Trauer entwickelt. Dies liegt weniger an der filmischen Darstellung des Sujets als vielmehr an dem Interesse von Fernsehanstalten an öffentlich inszenierten Trauerfeiern, namentlich für Prominente. Dies wurde im weltweiten Maßstab durch die medienwirksam inszenierte Trauer um die tödlich verunglückte Prinzessin Diana im Jahr 1997 deutlich. Der Kult um den Tod von Lady Diana ist nicht zuletzt Indiz für ein gesellschaftliches Bedürfnis nach offen vorzeigbarer Trauer. Insofern kann die öffentliche Trauer um Diana wie auch anderer Prominenter eine katalysatorische Funktion ausüben: Sie wirkt wie ein Ventil, das es breiten Kreisen ermöglicht, Gefühle von Trauer und Schmerz öffentlich zu zeigen. Im übrigen dokumentiert die Aufmerksamkeit, die diesem einzelnen Todesfall gewidmet wurde, die weltweit zentrale Rolle des Fernsehens für die öffentliche Inszenierung von Trauer – die nicht nur bei Prominenten-, sondern auch bei Staatsbegräbnissen deutlich wird.

Wie immer man diese, ja auch unter dem Aspekt der Kommerzialisierung zu betrachtende Entwicklung bewertet: Die zunehmende Öffentlichkeit von Trauer verhindert immerhin, dass weiterhin von einer "Verdrängung" des Todes gesprochen wird. Zugleich werden Elemente und Versatzstücke dieser "populären Trauer" – als Pendant zu populärer Musik oder Literatur – auch in privaten Trauerfeiern verwendet.

Es zählt zu den markanten, augenfälligen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, dass Friedhof und Grab nicht mehr alleiniger Schauplatz von Trauer und Gedenken sind. Im Gegenteil: Die Trauer wandert zunehmend ab in den öffentlichen Raum der Straßen und Plätze. Die bekanntesten Beispiele für dieses in der Kulturwissenschaft als „Public Mourning“ bekannt gewordene Phänomen sind jene Unfallkreuze, die nach einem tödlichen Verkehrsunfall von Hinterbliebenen aufgestellt wurden. Mit ihnen wird Trauer und Gedenken direkt am Schauplatz der Tragödie materialisiert – zumindest für eine gewisse Zeit und in ausdrücklich provisorischer Form. Diese Unfallkreuze sind ein kreativer Akt der Trauer- und Erinnerungsarbeit im Straßenraum, der wie nur wenig anderes die mobile Gesellschaft repräsentiert. Trauer und Erinnerung werden Teil des öffentlichen Raumes mit einem lokalen oder auch regionalen Radius.

Diese öffentlichen Orte temporärer Trauer bilden eine relativ junge Form alltäglicher Erinnerungskultur. In Deutschland sind sie seit den 1980er Jahren bekannt. Sie stehen historisch in der Tradition der Sühnekreuze und Marterln. Trauer und Gedenken werden am Schauplatz des Geschehens symbolisch verdichtet. Der an sich private Ort der Trauer bezieht aus dem vorbeifließenden Verkehr eine überlokale Reichweite. Mit ihrer symbolischen verkörpern sie auch eine hohe emotionale Bedeutung, weil sie sowohl individuelle Orte der Trauer und Erinnerung sind als auch eine öffentliche Mahnung an die Lebenden darstellen.

Eine besondere Form des "Public Mourning" bilden die Gedenkstätten für verstorbene Prominente. Ein bekanntes Beispiel ist das Memorial für den am 25. Juni 2009 verstorbenen Popmusiker Michael Jackson in München. Zu diesem Zweck wurde ein bereits bestehendes Denkmal auf dem Promenadeplatz vor jenem Hotel, in dem der Star in München gelegentlich abstieg, umfunktioniert. Betreut von einer über Facebook organisierten Gruppe so genannter "Denkmal-Feen" wird die Gedenkstätte regelmäßig gepflegt und mit neuen Erinnerungsrelikten versehen. Der Eindruck der Verwahrlosung soll vermieden werden. Die Stadtverwaltung München hat diese Umfunktionierung des öffentlichen Raumes toleriert.

Ein anderes Beispiel betrifft den am 10. November 2009 durch Freitod aus dem Leben geschiedenen Fußballtorwart und Nationalspieler Robert Enke. Hier verwandelte sich der Bereich um das Stadion seines letzten Vereins Hannover 96 in der Zeit nach dem Tod in eine riesige provisorische Gedenkstätte. Immer wieder kamen Menschen zusammen, um des toten Torwarts zu gedenken. Später wurde in diesem Bereich eine Straße nach Robert Enke benannt.

Seit dem späten 19. Jahrhundert ist die Bedeutung christlicher Traditionen für die Trauerkultur zurückgegangen. Die Einführung der von den christlichen Kirchen teils vehement abgelehnten Feuerbestattung und die Kommunalisierung des zuvor noch häufig in kirchlicher Hand befindlichen Begräbniswesens bildeten hier Zäsuren. Im Umfeld der Arbeiterbewegung gewannen weltliche und teilweise explizit sozialistische Trauerfeiern zunehmend an Boden. Heute sind in deutschen Großstädten freie, das heißt nicht-geistliche Trauerredner an teilweise über der Hälfte aller Bestattungen beteiligt.

Neue Formen einer privaten säkularen Bestattungskultur wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in der ehemaligen DDR massiv beschleunigt. Die weltliche oder "Personen"-Rede sollte den Verstorbenen als Angehörigen der sozialistischen Gesellschaft würdigen. Ab Mitte der 1970er Jahre wurde die säkulare Bestattungskultur in der DDR endgültig vorherrschend. Für die Geschichte der Bestattungskultur bemerkenswert ist unter anderem die frühe Einführung von Urnengemeinschaftsanlagen. Sie wurde – ebenso wie die Feuerbestattung allgemein – aus ideologischen Gründen gefördert, weil sie der staatssozialistischen Vorstellung einer gleichen Bestattung für alle entgegenkam. Generell wurde eine Reduzierung aller feierlich-rituellen Elemente begünstigt. "Zweckrationales Handeln" und "sachliche Funktionalität" bestimmten die Bestattungskultur der DDR, wie die Volkskundlerin Jane Redlin in ihrer 2009 publizierten Studie über "Säkulare Totenrituale. Totenehrung, Staatsbegräbnisse und private Bestattung in der DDR" analysiert.

Insgesamt, so schreibt die Kulturwissenschaftlerin Julia Schäfer in ihrer Studie über "Tod und Trauerrituale in der modernen Gesellschaft" (2003), befindet sich "die Trauer- und Bestattungskultur … mehr denn je im Umbruch". Gesellschaftlicher Wandel, Auflösung traditioneller Familienstrukturen und anderer sozialer Verbände (Kirche!) führt auch in der Trauerkultur zum Wandel. Die Entritualisierung zählt zu den bedeutendsten Entwicklungen in der gegenwärtigen Bestattungs- und Trauerkultur.

Jenseits dessen ist es vor allem der gesellschaftliche Einfluss anderer Religionen und Kulturen, wie der moslemischen, die in Deutschland zur Abkehr von starren Reglements geführt haben. Zu den moslemischen Bestattungszeremonien gehört, dass der Tote durch Familienangehörige rituell gewaschen, in Leinentücher eingewickelt und zum Totengebet aufgebahrt wird. Die rituelle Waschung kann im Krankenhaus, in den Räumen des Bestattungsunternehmens oder auf dem Friedhof vorgenommen werden. Inzwischen werden die entsprechenden Räumlichkeiten auch in Deutschland meist zur Verfügung gestellt. Auch die Beisetzung in Leinentüchern statt des üblicherweise vorgeschriebenen Sarges wird neuerdings gestattet.
Blicken wir einmal zurück in die Geschichte: Die Verbindung von Trauer und Medien ist grundsätzlich kein Phänomen der Moderne. Im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit fand das Totengedenken und "Memento Mori" in bildlichen Werken wie Holzschnitten und Kupferstichen seinen Ausdruck. Bekanntestes Beispiel ist die Gattung der Totentänze, die bis heute in gedruckter Form überliefert sind. Diese von Versen unterlegten Bilderzyklen erschienen aber auch unter anderem auf Kirchenwänden und in den so genannten Blockbüchern. Die Totentänze zeigen, wie der Tod unwiderruflich kommt und den Sterbenden abholt – alles Flehen um Aufschub bleibt vergeblich. Grundmotiv war auch hier die Vergänglichkeit. Auch die in der Frühen Neuzeit – zunächst vor allem in protestantischen Regionen – ausführlichen Leichenpredigten sind häufig in gedruckter Form überliefert.

Ein besonderes Element bürgerlicher Trauerkultur bildeten die Todesanzeigen in der Tagespresse – sie sind bis heute ein klassisches Medium öffentlicher Trauer geblieben. Die ersten Todesanzeigen kamen im 18. Jahrhundert auf, als sich allmählich eine immer breitere Presselandschaft entfaltete. Ursprünglich waren sie auch ein Mittel, geschäftliche Veränderungen nach einem Todesfall mitzuteilen. Bereits im späten 18. Jahrhundert kam auch der Ausdruck privaten Schmerzes hinzu. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Todesanzeige zum heute bekannten Ausdrucksmittel öffentlicher Trauer.

Im Allgemeinen unterlag die Trauerkultur im Verlauf der Neuzeit einem Wandel, der mit Begriffen wie "Individualisierung", "Säkularisierung" und "Technisierung" bezeichnet werden kann. Er brachte neue Schauplätze der Trauer hervor: Leichenhallen und Krematorien (neuerdings auch private Trauerhäuser von Bestattungsunternehmen), außerstädtische Friedhöfe und Naturbestattungen.

Bis in die Neuzeit hinein waren die Muster der Trauerkultur vom christlichen Glauben und kirchlichen Institutionen geprägt. Das Christentum hatte die Toten bekanntlich in das Zentrum der Städte geholt, weil es der christliche Glaube erstrebenswert erscheinen ließ, bei den Reliquien bestattet zu werden. So waren Kirche und Kirchhof zum klassischen Ort christlicher Bestattung geworden – entweder als privilegierte Grabstätte im oder direkt am Gotteshaus, zumindest aber auf dem umliegenden Kirchhof. Erstmals im frühen 16. Jahrhundert, dann wieder in einer umfassenden Welle um 1800 wurden die bisher innerstädtischen Begräbnisplätze aus hygienischen und Platzgründen vor die Tore der Städte verlegt.

Im öffentlichen Leichenbegängnis wurde der städtische Raum von Adel und Bürgertum zur Demonstration gesellschaftlichen Prestiges genutzt. Zum äußerlichen Symbol von "Prunk und Pomp fürstlicher Leichenzüge" wurde der prachtvoll ausgestaltete Leichenwagen. Später kamen andere Formen öffentlicher Begräbnisse hinzu, wie Staatsbegräbnisse einerseits oder sozialdemokratische Trauerfeiern andererseits. Spielte letzteres besonders im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eine wichtige Rolle, so hatte sich zu dieser Zeit eine spezifisch bürgerliche Trauerkultur entfaltet. Sie zeigte eine Mischung aus christlichen Traditionen, privater Emotionalität und symbolisch-gesellschaftlicher Repräsentation. Im Mittelpunkt stand dabei die Feier der individuellen Lebensleistung des – meist männlichen – Verstorbenen. Die Rede am offenen Grab, in der das Leben des Verblichenen noch einmal gefeiert wurde, gewann im 19. Jahrhundert eine bis heute anhaltende Bedeutung. Klassische Orte der Trauer waren das Haus des Verstorbenen mit dem Aufbahrungszimmer, die Kirche und die immer monumentaler gestaltete Grabstätte. Als schmückende Elemente dienten Pflanzen, Leuchter, schwarzer Flor. Sie bildeten eine ebenso speziell bürgerliche Trauersymbolik wie der Blumenschmuck, dessen extensive Verwendung ein charakteristisches Merkmal bürgerlicher Trauer wurde. Bis heute sind Versatzstücke dieser christlich-bürgerlichen Traditionen erhalten geblieben. Allerdings werden sie überformt von jeweils individuellen Elementen, die auf das Leben des oder der Verstorbenen direkt Bezug nehmen. Auf den Friedhöfen entstehen zunehmend themen- oder gruppenspezifische Gemeinschaftsanlagen wie der "Garten der Frauen" (Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg), die – analog zum gesellschaftlichen Wandel – das klassische Familiengrab überwinden. Darüber hinaus gesellen sich zur Grabstätte auf dem Friedhof zunehmend Formen der Naturbestattung, etwa auf speziell ausgewiesenen Flächen im freien Wald oder auf hoher See. Im Bundesland Bremen ist es sogar seit dem 1. Januar 2015 erlaubt, die Asche von Verstorbenen im eigenen Garten und auf ausgewiesenen Flächen im öffentlichen Raum beizusetzen. Welche Auswirkungen dies für die private Trauerkultur hat, bleibt abzuwarten.

Anmerkung der Redaktion: Der untenstehende Text ist ein genehmigter Nachdruck aus der Zeitschrift „TV-Diskurs“ 19, 2015, Heft 3, S. 28-33 und wurde ebenfalls veröffentlicht in der Zeitschrift „Medienkorrespondenz“ 63, 2015, Heft 17, S. 3-7.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Insel, Tod und Trauer (November 2015).
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