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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Zwei Grabmale des Bildhauers Hans Dammann (1867–1942) auf dem Stadtfriedhof Merseburg

Der mehr als vierhundert Jahre alte, südlich des Sixtiberges gelegene Merseburger Stadtfriedhof ist reich an eindrucksvollen Grabmalen, deren älteste aus der Barock- und Rokokozeit stammen und vorwiegend durch einheimische Bildhauer der Bildhauerfamilien Hoppenhaupt, Agner und Trothe geschaffen wurden.
Nicht weniger bemerkenswert sind jedoch auch zwei Jugendstilgrabmale, welche zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet wurden. Durch einen Zufallsfund angeregt, konnte die Autorin diese jetzt als Werke des seinerzeit in Berlin-Grunewald ansässigen Bildhauers Hans Dammann identifizieren.

Eichhorn 1912
Grabmal Eichhorn von Hans Dammann auf dem Merseburger Stadtfriedhof, Zustand 1912. Aufnahme in Familienbesitz, mit freundlicher Genehmigung

In der 1726 angelegten II. Abteilung befindet sich an der westlichen Friedhofsmauer die Familiengrabstätte Eichhorn (Abt. II Nr. Fa23/24). Nach dem Tod des angesehenen und wohlhabenden Kaufmanns und Ziegeleibesitzers Carl Hugo Eichhorn, der am 10. Oktober 1912 im Alter von 65 Jahren starb und am 14. Oktober 1912 unter großer Anteilnahme zahlreicher Freunde im Familienbegräbnis auf dem Stadtfriedhof beigesetzt wurde, erhielt Hans Dammann von der Familie den Auftrag für die künstlerische Gestaltung der Grabstätte.
Kommerzienrat Hugo Eichhorn war fast 27 Jahre lang als Stadtverordneter, später Stadtrat ehrenamtlich für die Kommunalverwaltung tätig. Er gehörte u.a. über zwei Jahrzehnte dem Kuratorium der Landwirtschaftlichen Winterschule Merseburg an und war seit 1882 Mitglied der Handelskammer zu Halle, später auch Handelsrichter in der Kammer für Handelssachen am Landgericht Halle. Die Stadt Merseburg verdankt ihm eine großzügige Schenkung für die Erweiterung des Stadtparks im Norden der Stadt im Jahr 1909.
Dammann schuf eine beeindruckende monumentale Grabarchitektur, die aber auch heute noch für den Merseburger Stadtfriedhof überdimensioniert wirkt. Das Mittelstück der dreiachsigen Jugendstilanlage bildet ein auf zwei dorischen Säulen getragener Quader mit der Aufschrift "Familie Eichhorn", darüber eine kleinere Mäanderbekrönung. Vor der mittleren mit blauen Mosaiksteinchen belegten und mit einem schwarz-goldenem Streifen umsäumten Rückwand steht auf einem hohen Sockel eine mit Rosen gefüllte Schale. Rechts und links davon flache Pilaster mit einem Relief stehender Putten. Den äußeren Abschluss bilden zwei rechtwinklig angesetzte gleich hohe offene Pfeilerwände, deren vordere Pfeiler mit hinab laufenden Immortellen-Bändern umwunden und oben von griechischen Vasen gekrönt sind. Die Seiten laufen nach vorn in einer flachen Mauer mit Eisengittern weiter, die in gleicher Form die Wegseite begrenzt und mit einem gleich hohen Eingangstürchen versehen ist, sodass die Grabstätte rundherum abgegrenzt ist.
Leider wurde die Grabstätte während des letzten Krieges durch Bombeneinwirkung teilweise beschädigt. Den Nachkommen, die inzwischen seit längerem nicht mehr in Merseburg ansässig sind, war es nicht möglich, die Grabstätte wiederherzurichten. Die letzte Beisetzung im Familienbegräbnis erfolgte 1995. Inzwischen haben die Nachkommen die Grabstätte aufgegeben. Die evangelische Kirchengemeinde Merseburg hat die Pflege in ihre Verantwortung übernommen.

Eichhorn 2015
Grabmal Eichhorn, Zustand 2015. Foto: M. Ranneberg, Fotosammlung Historisches Stadtarchiv Merseburg, Mappe 42

Trotzdem ist auch heute noch eine architektonische Ähnlichkeit mit dem ebenfalls von Hans Dammann geschaffenen Grabmal für den 1911 gestorbenen Ehrenbürger von Friedenau, Kommerzienrat Hugo Moeller, auf dem Friedhof in der Stubenrauchstraße in Berlin erkennbar.

Die III. Abteilung des Merseburger Friedhofs wurde 1838 kirchlich geweiht. Hier befand sich an der südlichen Mauer das Erbbegräbnis für die Familie des Justizrats Friedrich Albert Wagner, geschmückt mit einem hohen schwarzen Marmorkreuz. Diese Grabstätte ist nicht mehr vorhanden, wohl aber die gegenüber gelegene Grabstätte für die unverheiratete Tochter Elisabeth Wagner (Abt. III Nr. Ra48). Der Bruder der Verstorbenen, Kriegsgerichtsrat Friedrich Albert Wagner, ließ für seine im Juli 1913 in Koblenz verstorbene Schwester durch den Berliner Bildhauer Hans Dammann eine eindrucksvolle Grabplastik schaffen, die im April 1914 aufgestellt wurde. Sie zeigt einen mächtigen, vor einem hohen Kreuz auf einer Felslandschaft sitzenden, in Gedanken versunkenen Pilger aus Bronze, den Pilgerstab an die Schulter gelehnt. Die Inschrift auf dem Kreuz lautet: "Herr bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt".
Die ursprüngliche Inschrift auf dem Sockel lautete: "Hier ruht in Gott meine liebe Schwester Fräulein Elisabeth Wagner geb. 4. 8. 1856 gest. 25. 7. 1913, Die Liebe höret nimmer auf." Sie ist noch immer unter den aufgeschraubten neuen Inschrifttafeln der heutigen Grabstätteninhaber erhalten.

Wagner 1956
Grabmal Wagner "Der heimkehrende Pilger" - Aufname 1956. (Foto: W. Albrecht, Historisches Stadtarchiv Merseburg, Negativsammlung Albrecht 96K-037)

Dieses einzigartige Grabdenkmal "Der heimkehrende Pilger" gehört zu den schönsten Sepukralkunstwerken der Neuzeit in Merseburg. Der stimmungsvolle Gesamteindruck wird inzwischen leider durch ein davor aufgestelltes Bänkchen gestört. Hans Dammann hat die Plastik mehrfach für verschiedene Auftraggeber geliefert. Sie befindet sich auch auf dem Grab des Mitte 1914 verstorbenen Vaters des Bildhauers auf dem Stadtfriedhof Engesohde in Hannover.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Der tote Körper (August 2015).
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