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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Von großen Opern und stillen Gewässern

Richard Wagner im Riedemannschen Mausoleum, Wolfgang Amadeus Mozart im Mausoleum Kretschmer. Mitten in Hamburg auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Und niemand hat‘s gewusst.

Der Friedhof Ohlsdorf mit seinen zahlreichen Grünanlagen, den wunderbaren Skulpturen, den exponierten Gräbern, seinen verwunschenen Ecken und Winkeln ist beliebte Kulisse für ganz besondere Filmdrehs. Sogar in einem Teich, unweit des Mausoleums Kretschmer, wurden Szenen gestellt. Die Inszenierung der Dokumentationen zu der Kultur-Sendereihe "Die schönsten Opern aller Zeiten", ein "Casting" der zehn beliebtesten Opern, für die klassik-affine Zuschauer abstimmen konnten, setzte solch besondere Drehorte voraus. 2009 im Auftrag für das Programmfestival aus dem Kultur-Sender 3SAT dem ZDF Theaterkanal und dem Sender Classica gedreht, hat das Team um Regisseur Jan-Hinrik Drevs in diesem Jahr die Auszeichnung "Die silberne Klappe" (Bester Trailer) erhalten. Das liegt nicht zuletzt an dem Spürsinn des Producers Cord Lappe, der hier auch für das Location Scouting verantwortlich zeichnete. Cord Lappe hat schon oft die richtige Intuition bewiesen, wenn es um besondere Drehorte für besondere Filme geht.

Was macht den Friedhof Ohlsdorf als Drehort so reizvoll? Was hat Sie speziell hier gereizt?

Die beiden Mausoleen waren aus unterschiedlichen Gründen unser Hauptaugenmerk. Am Kretschmerschen Mausoleum ist es die schön erhaltene Freimaurer-Ästhetik – sowohl der Bauherr als auch Mozart waren beide Logenbrüder – die z.B. im Fußbodenschmuck besonders gut die Vorstellungswelt der "Zauberflöte" unterstützt. Die traditionellere christliche Ästhetik des Riedemannschen Mausoleums erschien uns hingegen besonders geeignet, die Bilder der Lohengrin-Oper mit religiöser Erhabenheit aufzuladen. Die anderen Drehorte auf dem Ohlsdorfer Friedhof wie der romantische Weiher, aus dem Lohengrin in voller Rüstung schreitet, oder ein Tunnel für ein Barrikadenkampf-Bild, haben wir erst nach Wahl der Hauptmotive ausgesucht. Sie wären auch andernorts denkbar gewesen. Da der Friedhof Ohlsdorf aber über eine so reichliche Auswahl spektakulärer Naturansichten und interessanter Architektur verfügt, hätten wir bestimmt noch weitere Motive dort gedreht – wenn denn noch mehr Drehzeit zur Verfügung gestanden hätte. Der Friedhof Ohlsdorf und speziell Herr Rehkopf haben uns mit ihrer tollen Unterstützung die Entscheidung und das Drehen leicht gemacht.

Welcher der beiden Drehs war der Aufwendigere und warum?

Aufwendiger in der Vorbereitung war der "Zauberflöten"-Dreh im Mausoleum Kretschmer – mehr Darsteller und Interaktion zu koordinieren, eine komplexe Kamerakran-Fahrt unter die Kuppeldecke. Doch die scheinbar einfacheren Wagner-Bilder hatten ihre Tücken. Nicht nur war das Drehen im Wasser für den Lohengrin-Darsteller in Rüstung eine beschwerliche Koordinationsaufgabe, hinzu kam ein fieser Stromausfall des Stromaggregats am Weiher im letzten Tageslicht. Da wir nicht auf Ersatz bis nach Einbruch der Dunkelheit warten konnten, mussten wir mit dem allerletzten natürlichen Tageslicht dieses Bild zu Ende drehen. Auch ein Bild mit zum Himmel flatternden Tauben war nicht so einfach zu drehen, wie wir uns das vorgestellt haben... Dafür war das letzte Wagnerbild auf dem Friedhof ein Spaß – wenn auch den Friedhof niemand wiedererkennen kann: eine nächtliche Barrikadenkampfszenerie mit vielen Darstellern aus dem Team (ein Verweis auf Wagners kämpferische Verteidigung der 48/49er-Revolution).

Mozart 1
Szene aus "Die Zauberflöte" von W. A. Mozart im Mausoleum Kretschmer.
Foto: André Lex

Warum wurde der See unweit des Kretschmer-Mausoleums für die Lohengrin-Dokumentation genutzt? Welche "Aussage" hatte die See-Szene für die Dokumentation?

Der Weiher ist romantisch schön von Laubbäumen eingefasst – und der relativ flache feste Untergrund in Ufernähe ist tatsächlich ohne Lebensgefahr (Metallrüstung) begehbar. Als Auftakt der Lohengrin-Bilder eröffnet das Auftauchen und Schreiten aus dem Wasser Reinheits- und Geburtsassoziationen – ein starkes Bild von Regisseur Jan Hinrik Drevs auch für die Beschwerlichkeit von Lohengrins Aufgabe.

Mozart 2
Szene aus "Die Zauberflöte" von W. A. Mozart im Mausoleum Kretschmer.
Foto: André Lex

Hat der Lohengrin-Darsteller bei der Wasser-Szene nicht unglaublich gefroren?

Die Wassertemperatur war ein kleineres Problem (unter der Rüstung trug André Röhner einen Taucheranzug). Die 40 kg am Körper im Gleichgewicht auftauchen zu lassen und aus dem Wasser zu schleppen, war die eigentliche Herausforderung.

Lohengrin
Szene aus "Lohengrin" von Richard Wagner im Riedemann-Mausoleum.
Foto: André Lex

Welche Flächen auf dem Ohlsdorfer Friedhof würden Sie aus filmischer Perspektive noch reizen?

Viele. Das hängt sehr vom jeweiligen Stoff ab. Soll‘s eher wild-romantisch sein – oder klassisch-modern? Fin de Siècle bourgois oder sachliche 20er Jahre? Außer den beeindruckenden Mausoleen reizen einige Gebäude. Viele unterschiedlich gestaltete Familiengrabstätten bieten sich an, der wunderbare Eingangsbereich des Ohlsdorfer Friedhofs... Auch als klassisch bis romantische Parkanlage mit überraschenden Blicktiefen: Beethoven und Mozart könnten hier lustwandeln. Den jüngeren Teil des Friedhofs bin ich für Gegenwartsbilder schon länger nicht mehr aktiv abgelaufen... ich habe aber ein Lieblingsdenkmal aus dem 20. Jahrhundert auf dem Gelände, was ich unbedingt irgendwann filmisch aufgreifen will...

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Friedhof und Wasser (August 2010).
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