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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Sechs Bildhauerinnen und ihre Gräber auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Autor/in: H. Boysen
Ausgabe Nr. 160, I, 2023 - März 2023

Das Gemeinsame: Die sechs Frauen haben ihre eigenen Grabdenkmale alle selbst entworfen.

Ein besonderes Werk ist die kubische Stele auf dem Familiengrab Bursch an der Kapellenstraße in Höhe Kapelle 2. Die Gestaltung stammt von der Bildhauerin HENNY BURSCH, der Ehefrau des Bildhauers Friedrich Bursch, der mit seiner Familie um 1900 aus Bunzlau nach Hamburg gekommen war. Er lebte von 1884 bis 1968. Eine seiner Arbeiten ist das große Hamburger Ehrenmal an der Kleinen Alster am Rathausmarkt. Die Familie wohnte in Alt-Rahlstedt. Der Mädchenname von Henny Bursch war Schäning. Sie wurde 1891 geboren und lebte bis 1984. Ihr Spezialgebiet als Bildhauerin waren Entwürfe kubischer Stelen. Die kubische Stele auf ihrem Familiengrab Bursch ist aus Krenzheimer Muschelkalk. Auf allen Seiten befinden sich Daten und Namen der Verstorbenen.


Pfeilergrabmal von Henny Bursch

Zwei sehr schöne von zwei Bildhauerinnen entworfene Grabmale befinden sich im Garten der Frauen. Es sind die Gräber von Elena Luksch-Makowsky und Irmgard Kanold.

ELENA LUKSCH-MAKOWSKY ist am 4. November 1878 als Tochter eines Hofmalers in Sankt Petersburg geboren und am 15. August 1967 in Hamburg gestorben. Sie studierte Malerei bei Ilja Repin und Bildhauerei bei Wladimir Beklemischow. Sie arbeitete für die Wiener Werkstätten und gab in Hamburg Kunstunterricht. Ab 1926 erhielt sie Aufträge von Fritz Schumacher für Plastiken und Bronzeskulpturen im Öffentlichen Raum. Ihr Grabmal aus den 1960er Jahren ist eine rechteckige Stele, die als flaches Relief ein Bild der Künstlerin zeigt - eine Mutter mit drei aufrecht stehenden Kindern mit ängstlichen Gesichtern.


Grabmal von Elena Lucksch Makowski

IRMGARD KANOLD ist am 9. Februar 1915 geboren und lebte bis zum 24. April 1976 in Hamburg. Zur Bildhauerin ausgebildet hat sie der Keramiker und Bildhauer Jürgen Heinrich Block. Sie studierte in den 1930er Jahren an der Akademie Düsseldorf bei Edwin Scharff und in München bei Bernhard Bleeker. Ihr Hamburger Atelier hatte sie in Barmbek. Um 1940 nahm sie an Gemeinschaftsausstellungen im Kunstverein Hamburg teil. Sie gestaltete Portrait-Plastiken, Altarfiguren und Grabsteine - so auch Ihren eigenen Grabstein. Es ist ein trauernder Schwan.


Grabmal von Irmgard Kanold

Das Grab von FRIEDA MATTHAEI-MITSCHERLICH liegt am Stillen Weg in der Nähe des Nordteichs. Die Künstlerin ist am 6. April 1880 in Berlin geboren und am 20. September 1970 in Mexiko gestorben. Sie war nicht nur Bildhauerin, sondern auch Malerin. Sie stammte aus großbürgerlichen Verhältnissen. Sie erhielt Privatunterricht bei Professor Gerhard Janensch von der Berliner Nationalgalerie, da Frauen erst ab 1919 an Akademien studieren durften. Sie machte viele Studienreisen und war auch Schülerin bei Auguste Rodin. Nachdem sie als freischaffende Künstlerin vorübergehend in München arbeitete, ging sie im Jahr 1914 nach Hamburg und bekam viele Aufträge von der Hamburger Kunsthalle und dem Ohlsdorfer Friedhof.


Grabmal von Frieda Matthei-Mitscherlich

Ihre Arbeiten sind durch einen realistischen Stil gekennzeichnet. 1914 hat sie ihre Familien-Grabstätte Matthaei geschaffen. Die darauf befindliche Grabskulptur trägt die Bezeichnung Mutterliebe. Sie besteht aus Kunststein. Es ist eine Mutter mit vier Kindern dargestellt. Am Fuß der Gruppe befinden sich die Kissensteine für Frieda Mitscherlich und ihren Mann Friedrich Matthaei.

Das Grabmal von MARY WARBURG ist streng gestaltet. Es befindet sich auf der Fläche der Familiengrabstätte Hertz, dem Grabmal ihrer Eltern. Dessen Grabwand in Form eines Triumphbogens soll von ihr mitgestaltet worden sein. Mary Warburg ist am 13. Oktober 1866 in Hamburg geboren und lebte dort bis zum 4. Dezember 1934. Schon als Jugendliche erhielt sie Malunterricht. Ihre schönen Bilder konnte man vor Kurzem in einer Sonderausstellung des Hamburger Barlach-Hauses im Jenischpark betrachten.


Grabmal für Aby und Mary Warburg

Erst später wandte sie sich der Bildhauerei zu. Sie gestaltete Büsten aus Ton, Bronze und Gips sowie Portraitskulpturen. Ihr bekanntestes Werk ist die Büste ihres 1929 verstorbenen Mannes Aby Warburg. Den berühmten Kunsthistoriker hatte sie schon 1888 auf einer Reise mit ihrem Vater kennengelernt und 1897 geheiratet. Die Bronzebüste ihres Mannes und weitere Werke von ihr befinden sich in der Hamburger Kunsthalle.

Der von Mary Warburg gestaltete hohe Grabstein für Mary und Aby Warburg und ihren Sohn Max Adolph steht neben der Grabwand der Familie Hertz in der Nähe von Kapelle 1. Auf dem Stein befindet sich außer den Namen die Inschrift MNEMOSYNE. Das ist in der griechischen Mythologie die Göttin der Erinnerung.

Das Urnen-Grabmal für die Bildhauerin LENY FALK liegt an der Waldstraße. Sie ist 1882 geboren und hat nur bis 1911 gelebt. Sie war die Tochter von Isabelle und Emil Seligman. Die von ihr gestaltete Bronze-Urne ist einmalig. Auf ihr befindet sich ein antikisierendes Relief mit tanzenden und musizierenden Frauen, Männern und Kindern, einem Kind auf einem Ziegenbock und Panthern, die springen. Das Kunstwerk steht neben dem Grab ihrer Eltern auf einem Sockel.


Urne von Leny Falk
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