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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der innere Raum. Wie wir erfüllt leben und gut sterben können

Trotz der mittlerweile unermesslichen Literatur zum "richtigen" Sterben gibt es immer wieder besondere Bücher zum Thema. Dazu gehört "Der innere Raum".Ausgangspunkt ist die Angst vor dem Tod: Den Tod nicht ergründen zu können, stellt für viele Menschen eine abschreckende und undurchsichtige Barriere dar, die sich jeder Rationalität entzieht.


Dennoch existieren kulturell geprägte implizite und explizite Normen darüber, was einen von "außen betrachteten guten Sterbeprozess" und einen Umgang mit dem unausweichlichen Sterben ausmacht. Der Autor - Theologe und Ethiker Dr. Carlo Leget - ist Professor am Lehrstuhl für Care Ethics an der Universiteit voor Humanistiek in Utrecht, Niederlande. Basierend auf Erkenntnissen der modernen Palliativversorgung und inspiriert von der mittelalterlichen Ars moriendi, die Kunst des Sterbens, bietet der "innere Raum" eine Orientierung für die Auseinandersetzung mit Leben, Sterben und Tod in unserer hochtechnisierten und komplexen Kultur. Leget beschäftigt sich mit dem aus dem Mittelalter inspirierten Ars-Moriendi-Modell. Das Modell bietet einen Zugang zu den Konzepten des endlichen Lebens und des Sterbens. Vielschichtig stellt sich der Autor der fortwährenden Diskussion über das Ende des Lebens und bietet mit seinem Modell ein Leitbild für Betroffene, Angehörige und Pflegende. Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel, beginnend mit der Einordnung des mittelalterlichen Verständnisses der Ars Moriendi, über die Vorstellung des inneren Raumes als Kernpunkt des neuen Modells und den fünf zentralen Themenbereichen Autonomie, Leiden, Abschied, unerledigte Dinge und Hoffnung, die sich strahlenförmig um den inneren Raum gruppieren und in ihrer Wichtigkeit gleichwertig sind. Der Autor bettet seine Ars Moriendi in den römisch-katholischen Kontext ein, da dieser ihm vertraut ist. Aus Gründen der Allgemeingültigkeit versucht er dennoch, möglichst religiöse Zusammenhänge aus den vorherigen Kapiteln auszuklammern. Abschließend wird mithilfe von Fallbeispielen aus seiner Praxis die konkrete Anwendung des Ars-Moriendi-Modells dargestellt. Beeindruckend ist der theologische Bezugsrahmen des Werkes. Gleichwohl können Leser unabhängig von der eigenen religiösen, spirituellen oder weltoffenen Einstellung Inhalte und Ansätze in ihren Alltag übertragen und interessante Anregungen für sich finden. Der religiöse Kontext sollte daher eher als Angebot anstatt als endgültiges Konzept betrachtet werden. Das Buch ist für jeden geeignet, der sich mit der eigenen Haltung zum Sterben auseinandersetzen will und sich weitere Entwicklungsmöglichkeiten zum Umgang damit erhofft.

Carlo Leget: Der innere Raum. Wie wir erfüllt leben und gut sterben können, Ostfildern 2021, 256 Seiten

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Tod und Nationalsozialismus (März 2023).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).