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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Alter Niendorfer Friedhof in Hamburg: QR-Code-Hinweistafeln an 30 Grabdenkmälern

Autor/in: Manfred Meyer
Ausgabe Nr. 158, III, 2022 - September 2022

Park- oder parkähnliche Friedhöfe in Großstädten werden häufig für Spaziergänge genutzt, da sie einen Ausgleich zur Hektik des Alltags bieten - eine Oase der Ruhe. So auch der Alte Niendorfer Friedhof, gut 100 Meter südlich des extrem frequentierten Verkehrsknotenpunktes Niendorfer Marktplatz und ca. 200 Meter entfernt von der quirligen Fußgängerzone "Tibarg" mit seinen vielen Einzelhandelsgeschäften, dem ZOB und der U-Bahn-Station sowie dem großen Einkaufscenter.

Die Menschen besuchen gerne den Alten Niendorfer Friedhof. Sein Parkcharakter mit den prächtig gewachsenen, teilweise über 200 Jahre alten Bäumen, lädt zur "Entschleunigung" ein.


Im Verhältnis zur Größe des Friedhofs sind hier überdurchschnittlich viele Grüfte und Erbbegräbnisstätten bekannter Persönlichkeiten zu finden. Hamburger Kaufleute, Bankiers, Reeder und Künstler fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Um dem Besucher aufzuzeigen, wer hinter diesen Namen steckt, bzw. was die Familie bekannt gemacht oder geleistet hat, wurden 30 dieser Ruhestätten - verteilt auf dem gesamten Friedhofsgelände - mit Hinweistafeln versehen. Auf allen Tafeln sind der Name des Beigesetzten oder der Familie und eine kurze Information (max. zwei Zeilen) zu dem/den Bestatteten vermerkt. Ein zusätzlicher QR-Code führt zu ausführlichen Texten, die mittels Smartphone oder Tablet abgerufen werden und dem Betrachter eine Biografie des/der hier Beigesetzten anzeigt. Die QR-Code Zieltexte sind dem Buch "Der Alte Niendorfer Friedhof" entnommen, das voraussichtlich im 4. Quartal 2022 vom Forum Kollau herausgegeben wird.



Die 30 ausgewählten Ruhestätten befinden sich nicht mehr im Nutzungsrecht der Nachkommen, sondern im Besitz des Friedhofs. Es sind aber nicht nur die Ruhestätten der vor genannten Honoratioren mit entsprechenden Hinweistafeln versehen, sondern auch die von unbekannten Personen oder Familien, die außergewöhnliches geleistet oder erlebt haben.



Es wurden bewusst kleine Aluminiumtafeln (12x12cm) auf einem schlanken Edelstahlrohr gewählt, um den Gesamteindruck der Ruhestätte nicht zu stören. Die Tafeln sind 90cm über Boden im Winkel von 30 Grad auf dem Rohr installiert. Das Projekt wurde gemeinsam mit der Kirchengemeinde Niendorf, der Friedhofsverwaltung und dem Geschichtsverein Forum Kollau, Verein für die Geschichte von Lokstedt, Niendorf und Schnelsen, realisiert.



Es gibt bisher noch sehr wenige Friedhöfe in Norddeutschland, die ihre Besucher mittels QR-Code über die Beigesetzten informieren. Auf dem Friedhof in Nebel (Insel Amrum), sind einige der historischen Grabmale mit einer kleinen QR-Code Tafel ausgestattet, die auf dem Smartphone oder Tablet eine Textdatei mit der Geschichte des Beigesetzten öffnet. Auf dem Friedhof der Schifferkirche in Deutschlands kleinster Stadt, Arnis an der Schlei, sind seit 2018 an einigen Ruhestätten Hinweistafeln mit QR-Code angebracht. Diese Codes öffnen eine, der Ruhestätte zugeordneten Audiodatei, die mit einem drei, max. vier Minuten Text die Geschichte des Verstorbenen erzählt. In Aschersleben (Sachsen-Anhalt) wurden bereits 2014 auf dem städtischen Hauptfriedhof 21 (heute 25) Ruhestätten von örtlichen Persönlichkeiten mit QR-Code Hinweistafeln bestückt.


Erstmals wurde 2012 ein Grabmal mit QR-Code - per Sandstrahlverfahren in den Stein eingearbeitet - von dem Kölner Steinmetz- und Steinbildhauermeister Andreas Rosenkranz auf einem Friedhof in Bergisch-Gladbach aufgestellt. Der QR-Code macht dem Besucher Informationen über den Beigesetzten zugänglich, die über die übliche Beschriftung des Grabmals - Name, Geburts- und Sterbedatum - hinaus geht. Diese Gestaltung von Grabmalen bietet neue Möglichkeiten der kreativen und künstlerischen Bearbeitung moderner Grabmale und stellt eine zeitgemäße Variante der Erinnerungskultur dar. Die QR-Code Inschrift war zunächst sehr umstritten und wurde von einigen Friedhofsverwaltungen abgelehnt. 2013 hat der Deutschen Städtetag mit einer "Handlungsempfehlung zum Umgang mit dem QR-Code" bestätigt, dass der QR-Code als Gestaltungselement des Grabmals angesehen werden muss und nicht gegen geltendes Recht verstößt. Dass der QR-Code nicht auf eine kommerzielle Werbung (auf Deutschen Friedhöfen untersagt) führen darf, versteht sich von selbst. Ein Spaziergang auf dem Friedhof wird zum Ausflug in die Geschichte unserer Stadt.


Die mit QR-Code Hinweistafeln versehenen Ruhestätten

1 : Abt. 1/R.-Ch. Claussen (ab 2023)
2 : Abt. 1/R.5/6 Pastorengräber
3 : Abt. 6/R.-Grabsteinmuseum
4 : Abt. 2/R. 12 H. Hudtwalcker
5 : Abt. 3/R. 51 von Bougé
6 : Abt. 3/R. 53 Theodor Merck
7 : Abt. 6/R. 17 Adolph Godeffroy
8 : Abt. 6/R. 23 Ulla Jürgens
9 : Abt. 6/R. 32 Familie Geissler
10: Abt. 5/R. 38 Heymann Mausoleum
11 : Abt. 5/R. 18 Hermann Keitel
12 : Abt. 5/R. 15/16 Fam. Beinhauer
13 : Abt. 5/R. 34 J. H. St. Willink
14 : Abt. 5/R. 11 Ernst Gossler
15 : Abt. 5/R. 32 Petrus Schaub
16 : Abt. 5/R. 3 C. H. W. Sillem
17 : Abt. 4/R. 8 August Bolten
18 : Abt. 4/R. 7 de la Camp
19 : Abt. 4/R. 4 Familie Reimers
20 : Abt. 4/R. 2 von Schinckel
21: Abt. 3/R. 23 J. A. Lattmann
22 : Abt. 3/R. 23 L. E. Amsinck
23 : Abt. 3/R. 23 Fam. Vorwerk
24 : Abt. 3/R. 19/20 W. Amsinck
25 : Abt. 2/R. 8 Fam. Martens
26 : Abt. 2/R. 11 Ch. Mähl
27 : Abt. 2/R. 6 A.Timmermann
28 : Abt. 2/R. 5 v. Schweinitz & Krain
29 : Abt. 2/R. 2 Emil Andresen
30 : Abt. 1/R. 1 Hein Behrmann

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Landschaftliche Gräberfelder (September 2022).
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