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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Über die Chancen des Kulturerbe-Titels

Autor/in: Tobias Pehle
Ausgabe Nr. 149, II, 2020 - Mai 2020

Die Friedhofskultur in Deutschland ist "Immaterielles Kulturerbe". Das ist nicht nur ein schöner Titel, es ist vor allem eine große Chance: Denn nach dem von der Bundesrepublik ratifizierten UNESCO-Übereinkommen zum immateriellen Kulturerbe ist mit der Ernennung zwingend die Verpflichtung verbunden, sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung dieses Erbes einzusetzen.

Der wesentliche Schritt dazu ist, über das Erbe an sich zu informieren und den erlangten Titel zu bewerben. Jetzt gilt es, sich dieser Aufgabe mit guter und professioneller Kommunikation zu stellen.

Der Grundgedanke hinter dem UNESCO-Erbe – sowohl beim materiellen Welterbe als auch beim immateriellen Kulturerbe – ist so einfach wie genial: Indem das höchste Kulturgremium der weltumspannenden Völkergemeinschaft etwas für besonders wichtig und erhaltenswert erklärt, wertet es dies auf. Und wenn etwas ausgewiesenermaßen von besonders hohem Wert ist, steigert dies zugleich die eigene Wertschätzung dem betreffenden Gut gegenüber – und das trägt nachhaltig zum langfristigen Erhalt bei. Ein gutes Beispiel dafür, wie dieses Prinzip funktioniert, ist der Rohstoff Gold: Das Edelmetall gilt als besonders wertvoll. Und deshalb wirft man z.B. einen Ring aus Gold nicht einfach weg – ganz im Gegensatz zu "wertlosem" Modeschmuck aus Plastik.


Um im Bild zu bleiben, könnte man auch sagen, dass die Ernennung zum immateriellen Kulturerbe auf gewisse Weise die Friedhofskultur in Deutschland "vergoldet": Sie verleiht ihr Glanz, Wert und Aufmerksamkeit. Die Auszeichnung schmückt das Kulturgut nicht nur, sie lässt es auch wie einen Orden erstrahlen. Verdienstauszeichnungen erzeugen sicht- und vorzeigbar Respekt. Sie sind eine Anerkennung mit Brief und Siegel – ein uralter Wertmechanismus, der auch heute noch seine Wirkung entfaltet und sich somit äußerst positiv auf das Image des Produkts auswirkt, um es einmal in der Marketingsprache zu formulieren.

Und als ob das nicht schon genug wäre, kommt noch ein weiterer wertsteigender Faktor hinzu: Die Ernennung zum Kulturerbe wird unwillkürlich mit der Verleihung eines Titels gleichgesetzt. Es ist sicherlich nicht übertrieben, wenn man sagt, dass landläufig die Bezeichnung "UNESCO-Erbe" die weltweit bedeutendste akademische Auszeichnung für ein Kulturgut ist. Wer will daran zweifeln, dass ein von der deutschen UNESCO-Kommission vorgeschlagenes und von der höchsten Kulturinstitution unseres Landes, der Kultusministerkonferenz, ernanntes Erbe, für unsere Kultur bedeutsam und schützenwert ist? Das ist wie bei einem Professoren-Titel: Wer ihn erlangt hat, gilt ausgewiesenermaßen als kluger Kopf. Ob alles wirklich Gold ist, was mit dem Titel immaterielles Erbe Friedhofskultur glänzt, steht auf einem anderen Blatt. Fest steht allerdings: Je bedeutender ein Titel ist, desto weniger wird er in Frage gestellt. Und dass die Friedhofskultur in Deutschland für unsere Kultur bedeutsam, identitätsstiftend und erhaltenswert ist, ist mit der Ernennung zum immateriellen Erbe in keinster Weise mehr zu bezweifeln.

Die Bewerbung zum immateriellen Erbe war kein Selbstzweck: Hinter ihr stand die klar formulierte Absicht, die Bedeutung der Friedhofskultur für unsere Gesellschaft unzweifelhaft sichtbar zu machen sowie dieses positive Bild in der Breite der Bevölkerung zu verankern. Die Absichten der Initiative Friedhofskultur decken sich mit denjenigen der UNESCO: Auch ihr geht es darum, mit der Erbe-Ernennung die Wertstellung von Kulturgütern zu verdeutlichen und sichtbar zu machen.

Im Sinne der UNESCO setzt sich das neu gegründete Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur als offizieller Verwalter des nationalen Erbe-Titels für die Steigerung des Bekanntheitsgrads und die Wertstellung der Friedhofskultur in Deutschland ein. Der Weg dafür ist vorgezeichnet: Es muss darum gehen, den Titel "Immaterielles Kulturerbe" wirksam und nachhaltig mit der Friedhofskultur in Deutschland zu verbinden. Die Chancen dafür stehen gut, und dies aus verschiedenen Perspektiven.
Im Kern ist diese Aufgabe mit klassischem Marketing zu lösen. Es geht darum, eine klare Botschaft mit einem Produkt zu verbinden und sie dann öffentlich wirksam und zielgenau zu platzieren. Dabei gelten die üblichen Marketinggrundsätze. Eingebettet werden muss das Marketing selbstverständlich in eine Kommunikationsstrategien die über reine "Werbung" deutlich hinausgeht und zum Beispiel die inhaltlichen Aspekte wissenschaftlich beleuchtet.

Beim Marketing ist in der Regel die erste und wichtigste Aufgabe zugleich die schwierigste: eine klar verständliche, einprägsame und unmissverständliche Aussage zu formulieren. Worüber man sich sonst teuer in Werbeagenturen intensiv den Kopf zerbricht, liegt hier auf der Hand: "Immaterielles Erbe Friedhofskultur in Deutschland" ist genau diese unmissverständliche, klare Botschaft, derer es bedarf, um die Wertigkeit der Friedhofskultur für unsere Gesellschaft eindrucksvoll zu bewerben. Man muss weder Aufmerksamkeit erheischende Superlative hinzufügen noch großartige Erklärtexte nachschieben – der Titel allein hat Strahlkraft genug.

Und: Er vereint alle Vorzüge einer Imagekampagne, die sich vom Produkt löst und somit zugleich von wirtschaftlichen Interessen. Normalerweise haftet Werbung der Nimbus an, es gehe um Geschäftemacherei – eine im Umfeld von Tod und Trauer genauso anrüchige wie verbreitete Annahme. Dass die Bewerbung der Friedhofskultur keinesfalls einen solchen Verdacht aufkommen lässt, liegt allein daran, dass sie sich nicht auf das wirtschaftliche Feld des Friedhofwesens bezieht. Es wird nicht vom Grab her gedacht – an das bekanntermaßen viele kommerzielle Interessen geknüpft sind –, sondern die Botschaft von einer weitaus höheren Ebene gesendet, nämlich einer gesamtgesellschaftlich-kulturellen. Das ist vergleichbar mit der kulturellen Bedeutung der Theater in Deutschland: Wenn man über diese spricht, hört man auch nicht die Kassen der Theaterhäuser klingen.


Eine Marketing-Botschaft kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie wahrgenommen wird. In unserer visuell orientierten Gesellschaft kommt der grafischen Präsentation eine entscheidende Rolle zu. Hier hat das Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur bereits umfangreiche Vorarbeit geleistet: Es wurde eine unverwechselbare Wort-Bildmarke designt, die die Botschaft in großen, modernen Lettern ins Zentrum rückt und mit einem stilisierten goldenen Ginkgo-Blatt – das Symbol für Hoffnung und Freundschaft sowie für Sanftheit und Lebenskraft – als Signet verbindet. Die kontraststarke Gestaltung arbeitet mit den Farben Schwarz, Rot, Gold – und setzt so klare Bezüge zur nationalen Bedeutung des Kulturguts. Das Design strahlt Klarheit, Wertigkeit und Seriosität aus, hat einen hohen Wiederkennungsfaktor und wirkt nicht nur authentisch, sondern auch zeitgerecht und lebendig. Die visuelle Gestaltung unterstreicht somit die Botschaft nicht nur eindrucksvoll, sondern ist vor allem für den angestrebten Werbezweck bestens geeignet.

Wenn Botschaft und Gestaltung einer Werbekampagne stehen, ist konzeptionell schließlich zu entscheiden, wo geworben wird. Im Fall dieses immateriellen Erbes liegt auch das auf der Hand: auf dem Friedhof selbst, aber auch in den Friedhofsverwaltungen, bei den Bestatter*innen, Friedhofsgärtner*innen und Steinmetz*innen. So lässt sich die Botschaft des erhaltenswerten, identitätsstiftenden Kulturguts eindeutig und unmittelbar mit dem Kulturraum Friedhof verbinden. Zusätzlich gilt es, die Kernzielgruppe anzusprechen – und das sind vor allem ältere Menschen, zu deren Lebensalltag Tod und Trauer zählen.

Nimmt man die Informations-Verpflichtung ernst, die mit der Ernennung zum immateriellen Erbe verbunden ist, so ist eine Bewerbung der Friedhofskultur als lebendig, kraftvoll und identitätsstiftend alternativlos. Aus Sicht des Kuratoriums Immaterielles Erbe Friedhofskultur stehen so alle Kräfte im Friedhofswesen in der Pflicht, ihre Kunden über das Erbe zu informieren und so zu Erhalt und Weiterentwicklung beizutragen. Um dies zu erleichtern, aber auch um eine einheitliche, nachhaltige Botschaft zu senden, sollten dazu allerorts die gleichen Medien im selben Corporate Design genutzt werden. Deshalb stellt das Kuratorium die entsprechenden Medien wie Imagebroschüren und Flyer für alle Kräfte im Friedhofswesen gleichermaßen bereit. Zielsetzung ist, dass alle nicht nur dieselbe inhaltliche Botschaft verbreiten, sondern dies auch optisch im selben Gewand, um Synergien zu erzeugen und nachhaltig zu wirken.

Zugleich sollten die Friedhöfe selbst sichtbar als Gestaltungsräume der Friedhofskultur gekennzeichnet sein, sowohl um die Auszeichnung "Immaterielles Erbe" eindeutig mit dem Friedhof an sich zu verbinden, als auch um die Wertstellung effektiv im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Der richtige Weg dazu ist, an jedem Friedhofseingang ein Schild im Corporate Design des immateriellen Erbes Friedhofskultur deutlich sichtbar anzubringen. Es gilt, den erlangten Titel wie auf einer Visitenkarte unmissverständlich nach außen zu tragen – und auch stolz zu präsentieren.

Die Voraussetzungen für ein wirksames Marketing sind also geschaffen. Ob der Erhalt und die Weiterentwicklung des Kulturerbes Friedhof wirklich gelingen, hat das Friedhofswesen selbst in der Hand. Die Früchte, die durch die Vorarbeit der Initiative Kulturerbe Friedhof und des Kuratoriums Immaterielles Erbe Friedhofskultur gewachsen sind, müssen jetzt gemeinschaftlich von Friedhofsverwaltungen, Bestatter*innen, Gärtner*innen und Steinmetz*innen geerntet werden. Unterstützung ist zugleich von den vielen Vereinen im Friedhofswesen, den ehrenamtlich Tätigen und nicht zuletzt auch von den Friedhofsbetreiber*innen, allen voran den Glaubensgemeinschaften, einzufordern. Die gemeinsame Plattform dazu findet sich im Netz unter http://www.kulturerbe-friedhof.de/.

Das Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur stellt auf dieser Seite umfangreiches Marketingmaterial sowie weiterführende Informationen bereit. Zugleich wird die Plattform über die Weiterentwicklung der gesamten Kommunikation zum immateriellen Erbe Friedhofskultur berichten. Vorgesehen sind zum Beispiel öffentliche Veranstaltungen zum Thema – geplant ist hier unter anderem ein vielfältiges Vortragsprogramm. Ein weiterer Fokus wird auf der kulturellen Bildung liegen – hier gilt es attraktive Angebote vor allem auch für junge Menschen zu entwickeln und zu unterstützen. Nicht zuletzt will das Kuratorium die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema fördern und dabei auch den Wissenstransfer sowie die internationale Vernetzung stärken.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Friedhof als "Immaterielles Kulturerbe" (Mai 2020).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).