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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Friedhofsverein Wismar besucht Ohlsdorf

2017 erhielt die Friedhofsverwaltung in Wismar eine Nachricht, dass der Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof eine Exkursion nach Wismar plant und dem Friedhof einen Besuch abstatten wollte.

Diese Nachricht leitete die Verwaltung, mit Frau Schaller-Uhl an der Spitze, sogleich dem Verein zur Förderung der Friedhofskultur in Wismar e.V. weiter, in dem sie selbst Mitglied ist.

Zusammen wurden dann am 2. September 2017 die Gäste aus Ohlsdorf begrüßt und der Friedhof besichtigt. Aus dieser lockeren Verbindung ergab sich dann die Einladung zu einem Gegenbesuch, der nun am 24. August dieses Jahres stattfand. Zwölf Vereinsmitglieder reisten in die Metropole und wurden vom Ohlsdorfer Förderkreis herzlich im Museum des Friedhofes in Empfang genommen. Mit belegten Brötchen und Kaffee konnte man sich zunächst nach der langen Fahrt stärken und ins Gespräch kommen. Das kleine Friedhofsmuseum fand allgemeine Bewunderung und Anerkennung. Dort wurden die Geschichte und Entwicklung der monumentalen Friedhofsanlage erläutert. Danach startete ein zweistündiger Rundgang hauptsächlich über den alten Teil des Ohlsdorfer Friedhofs. Natürlich ist der weltweit größte Parkfriedhof in Hamburg kein Vergleich zu dem kleinen beschaulichen Gottesacker mit gerade einmal 23 Hektar in der Weltkulturerbestadt Wismar. Doch konnten wie bei dem Besuch 2017 einige Parallelen entdeckt werden.


Besucher aus Wismar (Foto: Anja Kretschmer)

Beide Friedhöfe wurden parkartig und nach den Vorgaben des englischen Landschaftsstils umgesetzt. Wismar bereits 1831, was für diese Zeit und für den Norden an sich mehr als fortschrittlich war. Der Bürgermeister unternahm eigens dafür Reisen innerhalb Deutschlands, die in bis nach Darmstadt und Koblenz führten, die er beide „gartenähnlich und freundlich vorfand“. Davon ließ er sich inspirieren und ließ ein Kleinod der Friedhofskunst entstehen.


Besucher vor dem Museum (Foto: Anja Kretschmer)

Auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof (Foto: Anja Kretschmer)

Bei der Besichtigung der Wismarer Feierhalle aus dem Jahr 1944 war ein weiterer Zusammenhang zu Hamburg offensichtlich geworden – Carl Otto Czeschka (1878-1960). Der gebürtige Wiener Maler, um dessen Grab sich der Ohlsdorfer Verein kümmert, war ein wichtiger Vertreter der Wiener Werkstätte und prägte den Jugendstil maßgebend. Stilistisch oft mit Gustav Klimt verglichen, reicht sein Repertoire von Zeichnungen, Grafiken, Schriften über Holzschnitte, Glasfenster, buchkünstlerische Arbeiten, Gobelins bis hin zu Möbeln und Theaterausstattungen. Nachdem er 1907 an die Hamburger Kunstgewerbeschule berufen worden war, prägte er auch das Hamburger Stadtbild jener Zeit. Glasfenster in der Kunstgewerbeschule am Lerchenfeld zeugen davon ebenso wie im Gewerbehaus (heutige Handwerkskammer) oder in der neoromanischen Gnadenkirche in St. Pauli-Nord. Sein Ruf ertönte bis nach Wismar, wo er 1942 mit dem Entwurf für ein rundes Glasfenster der dortigen neuen Feierhalle beauftragt wurde. Es sollte ein Phönix werden, der gerade aus der Asche emporsteigt. Der Karton wurde allerdings durch Bombenangriffe 1943 in Czeschkas Atelier beschädigt, sodass erst 1944 eine Realisierung mit einem gänzlich neuen Entwurf erfolgte.


Fritz-Schumacher-Halle im Forum Ohlsdorf (Foto: Anja Kretschmer)

Die Parallelen reichten bis hin zu einzelnen Denkmalen, so ist das antikisierende Kriegerdenkmal des Hannoveraner Bildhauers Roland Engelhard (1868-1951) auf beiden Friedhöfen vertreten. Der Rundgang endete dann am Neuen Krematorium von Fritz Schumacher, wo der Verein weitere Glaskunst erleben konnte. Diesmal anhand des beeindruckenden Mosaikfrieses und der Fenstergestaltung von Ervin Bossányi in der großen Feierhalle. Mit einem Mittagessen im Café Fritz endete der Besuch, der für alle Parteien wieder sehr bereichernd war.

Das Vernetzen der Friedhofsvereine ist auch dem Ohlsdorfer Verein ein Anliegen, welches dazu führte, dass deutschlandweit die Kontakte zu Vereinen hergestellt wurden. In Wismar fand am 13. Oktober 2019 ein Treffen aller Vereine und Arbeitsgruppen in Mecklenburg-Vorpommern statt, darunter der "Förderverein Alter Friedhof Schwerin e.V.", "Arbeitskreis Alter Friedhof Greifswald", "Verschönerungsverein Rostock e.V." und der "Förderverein Kulturzentrum Kloster und Klosterfriedhof Malchow e.V.". Mit diesem Treffen konnten bereits wichtige Kontakte hergestellt werden, die zu impulsgebenden Erkenntnissen und weiterführenden Informationen führten und erst den Anfang eines gemeinsamen Engagements für eines der wichtigsten und persönlichsten Kulturgüter des Menschen bilden. Denn der Friedhof ist das größte Archiv der Stadt, auf dem man Familiengeschichte ebenso ablesen kann wie Bau- und Landschaftsgeschichte, Kultur- und Bestattungsgeschichte. So wie Friedrich Dürrenmatt sagte: "Die Beschäftigung mit dem Tod ist die Wurzel der Kultur."

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Kunst in Hamburg (November 2019).
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