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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

75 Jahre islamisches Gräberfeld in Hamburg

Autor/in: Firouz Vladi
Ausgabe Nr. 133, II, 2016 - Mai 2016

Am 16.5.1941 verstarb in Hamburg der iranische Großhandelskaufmann Abbasali Pyrchad und wurde nach islamischem Ritus auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Davon zeugt ein entsprechender Grabstein.

Die Bestattung gab Anlass zum Erwerb dieses ersten Gräberfeldes durch in Hamburg ansässige Muslime. Mit Vertrag vom 17.12.1941 erwarben Hassan Vladi, Khalil Touba und Ahmad Nikravan im Auftrag der Iranisch-Mohammedanischen Gemeinde für 15.300 Reichsmark 102 Grabstellen für muslimische Bestattungen bei Kapelle 2. Als nach Kriegsende 1952 wieder ein iranisches Generalkonsulat in Hamburg eröffnete, wurde diesem die Rechtsausübung übertragen. Im Laufe der Jahrzehnte erfolgten weitere Nutzungen bis zur vollständigen Belegung mit ca. 150 Bestattungen. Später entstanden weitere islamische Gräberfelder in Ohlsdorf bei Kapelle 13 und auf anderen hamburgischen Friedhöfen.

Pyrchad
Der Grabstein des Abbasali Pyrchad. Foto: F. Vladi

Der Grabstein des Abbasali Pyrchad dürfte heute das älteste Dokument islamischer Existenz in Hamburg sein. Dieses islamische Gräberfeld ist nach dem "Türkischen Friedhof" in Berlin-Neukölln das älteste seiner Art in Deutschland. Der 75. Jahrestag ist eine gute Gelegenheit ins öffentliche Bewusstsein zu rufen, dass die Anfänge muslimischen Lebens in Hamburg schon in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurückreichen, der Islam also eine viel längere gesellschaftliche Anwesenheit hier aufweist, als gemeinhin angenommen wird, wie auch die Geburtsdaten auf den Grabsteinen aus der vorletzten Jahrhundertwende belegen. Ebenso zeigt sich hieran, welche gesellschaftlichen Veränderungen das muslimische Leben im Laufe der Jahrzehnte in Hamburg erfahren hat.

Zugleich steht dieses historische Grabfeld für die Leistungen der iranischen Kaufmannsgemeinde für das Wirtschaftsleben der Hansestadt und deren Beteiligung am Wiederaufbau Hamburgs nach dem Zweiten Weltkrieg. In Zeiten der Not haben sie Nahrungsmittel in großem Umfange aus dem Iran importiert und mit dem Export von Industriegütern zum Wirtschaftswachstum beigetragen.

Grabfeld
Grabfeld der ehem. Iranisch-mohammedanischen Gemeinde. Foto: F. Vladi

Viele der hier angelegten Gräber haben keine Angehörigen mehr und drohten zu verwildern. Schon vor wenigen Jahren sind einige iranische Kaufleute in diese Bresche gesprungen und haben mit namhaften Spenden für Instandsetzung und Pflege gesorgt. Nun soll das Grabfeld X 19 als Ganzes auf Friedhofsdauer erhalten bleiben. Im Gegenzuge verpflichteten sich die Nachfahren und Freunde der dort bestatteten iranischen Hamburger durch Bildung eines nunmehr gegründeten Fördervereins dauerhaft für eine geordnete Pflege und ggf. Neugestaltung zu sorgen.

Im Druck ist z. Z. eine Broschüre mit Informationen zum historischen Hintergrund des Grabfeldes, zu den frühen Iranern im Hamburg des 20. Jahrhunderts mit einigen ausgewählten Lebensläufen und zu muslimischen Bestattungsriten und -regeln sowie zu den Anfängen des Islams in Norddeutschland ab dem 17. Jh. Ein kleiner Infopavillon ist in Errichtung. Der neu gebildete Förderverein wird in Abstimmung mit der Friedhofsverwaltung, dem Iranischen Generalkonsulat und dem Islamischen Zentrum Hamburg e.V. die Modalitäten der künftigen Nutzung festlegen. Dies würde auch ein Signal der freundlichen Wiederaufnahme deutsch-iranischer Beziehungen nach Jahren politischer Eiszeit sein.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Bestattungskultur und Politik (Mai 2016).
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