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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Werke von Heinrich Pohlmann auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Der Bildhauer Heinrich Pohlmann ist auf dem Ohlsdorfer Friedhof mit mehreren Entwürfen vertreten. Bei der Inventarisation der Ohlsdorfer Grabmale in den 1980er Jahren wurden ihm insgesamt dreißig Arbeiten zugeordnet. Er ist damit einer der besonders gefragten Sepulkralplastiker vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Aktuell sind von ihm allerdings nur noch zwanzig Arbeiten auffindbar. Überwiegend handelt es sich um Galvanoplastiken, also um Gipskopien von Originalmodellen, die in einem Galvanisierbad mit einer sehr dünnen Kupferschicht überzogen wurden. Angeboten wurden sie unter anderem per Katalog von der Württembergischen Metallwarenfabrik AG - kurz WMF. Es sind also keine Unikate und besonders beliebte Motive sind in Ohlsdorf mehrfach vertreten.

Aufgestellt wurden diese Plastiken überwiegend zwischen 1900 und dem Ende des Ersten Weltkriegs. Engel waren zu der Zeit sehr gefragt, aber WMF bot auch andere Entwürfe von Heinrich Pohlmann an, zum Beispiel eine Christus-Statue, von der es in Ohlsdorf nur ein Exemplar auf der Grabstätte Welter, heute Patenschaft Burkhardt, gibt. Die Figur steht auf einem hohen Postament aus schwarzem Granit und ähnelt in der Haltung dem segnenden Christus von Bertel Thorvaldsen in der For Frue Kirke in Kopenhagen. Christus-Darstellungen sind im protestantischen Norden nicht so häufig und eventuell Hinweis auf katholische Familien, was auch hier zutrifft. Der aus Köln stammende Franz Josef Welter, Kaufmann und Mitbesitzer einer Fabrik für Feuerwerkskörper, hatte das Grab 1909 erworben (Grablage AG24, 47-48, Ohlsdorf-Katalog Nr. 525). (Abb. 1)


1 Der Christus auf der Grabstätte Burkhardt, ehemals Welter

Ohne religiösen Bezug sind dagegen die "Schreibenden" zu verstehen, die sinnbildlich die Verdienste der Verstorbenen festhalten sollten. Damit sie nicht " in die Luft" schreiben mussten, wurden sie vor größeren Grabmalaufbauten platziert. Eine der drei heute noch erhaltenen steht seit 1907 dicht beim Forum-Ohlsdorf vor dem wuchtigen Felsen auf dem Grab Pedersen. Welche Verdienste konnten hier wohl notiert werden? Bei Hamburger Kaufleuten hat man sicher auch gerne die geschäftlichen Erfolge dazugezählt. Immerhin war Frederik Pedersen der Begründer der heute noch existierenden Firma Hummer-Pedersen an der Großen Elbstraße (Grablage U3, 134, 136, gleiche Figur auf der Grabstätte Rüffler/Grekopf, ehemals Samler/Fett, Grablage AA23, 85-94, Ohlsdorf-Katalog Nr. 375 ). (Abb.2)


2 Die Schreibende auf dem Grab Pedersen

Von den fünf erhaltenen Engeln ist hier beispielhaft der Engel auf der Grabstätte Dabelstein vorgestellt. Er steht frei auf einem hohen Postament aus schwarzem, poliertem Granit mit angesetzten, geschwungenen Wangen. Dafür war diese Fassung mit erhoben Flügeln besonders geeignet. Für die Aufstellung in der Nische einer Grabmalwand war dagegen eine Version mit gesenkten Flügeln gedacht. Außerdem konnte man wählen zwischen unterschiedlichen Größen. Der Kaufmann und Immobilienbesitzer Heinrich Ludwig Dabelstein hatte das Grabmal 1906 nach dem Tod seiner Mutter errichten lassen (Grablage V30, 350-55, Ohlsdorf-Katalog Nr. 420). (Abb. 3)


3 Die Grabstätte Dabelstein

Die gefragtesten Pohlmann-Modelle waren allerdings die "Trauernden", von denen tatsächlich noch zehn in unterschiedlichen Ausführungen erhalten sind. Die Einträge in den alten Grabregistern zeigen, dass wohl gerade bei diesen Plastiken unter den Auftraggeber*innen überdurchschnittlich viele Frauen waren, so zum Beispiel die Witwe des Maurermeisters Gerhardy. Als 1901 ihr Ehemann mit nur 40 Jahren verstarb, hatte sie die Trauernde in der Terrakotta-Ausführung der Firma Villeroy & Boch für das Familiengrab gewählt. Auf einem hohen Postament lehnt hier eine Frauengestalt in weitem Gewand und mit verhülltem Haar an einer gebrochenen Säule. Die Hände sind vor dem Schoß gefaltet, der rechte Fuß auf die Stufe des Säulenaufbaus gesetzt. Abgebrochene Säulen waren oft Symbol für den Tod der "tragenden" Person in der Familie (Grablage K6, 44,46,48, Ohlsdorf-Katalog Nr. 180). (Abb. 4)


4 Die Trauernde auf der Grabstätte Gerhardy

Eine sehr ähnliche Trauernde in der Ausführung als Galvanoplastik steht auf der Grabstätte Moser, auch hier an eine gebrochene Säule gelehnt, aber fast ebenerdig aufgestellt. Von dieser Figur gibt es verschiedene Fassungen, die sich in der Größe und in einigen Details unterscheiden. Graberwerber war hier bereits 1893 der Hotelier Jacob Carl Moser, Besitzer des "Hotel Moser" am Reesendamm, Ecke Rathausmarkt und zeitweise auch des "Hotel St. Petersburg" am Jungfernstieg. Wie aus erhaltenen Briefen hervorgeht, logierte Johannes Brahms bei seinen Hamburg-Besuchen in den 1880er Jahren besonders gern bei ihm (Johannes Brahms an Julius Spengel, Hrsg. Annemari Spengel, Hamburg 1959). Ein Grabmal wurde aber erst 1907 nach Mosers Tod aufgestellt, also war es wahrscheinlich auch hier die Witwe, die die Entscheidung traf (Grablage X11, 203-9, Ohlsdorf-Katalog Nr. 460).

In der Nähe der Kapelle 6 steht eine andere Trauernde vor einem Obelisk aus schwarzem Granit auf der Grabstätte Behrens. Auch bei dieser Figur ist der Umhang über den Kopf gezogen, aber mit den Händen gerafft und die rechte Hand trocknet damit die Tränen. Am Sockel steht diese Inschrift: "Musst Du klagen, Nur nicht laut! Willst Du nicht Dein Bild entehren, Lass' es nie die Menge hören." Das Grab hatte die in Hummelsbüttel wohnende Anna Kuhmichel 1906 für sich und für ihren verstorbenen Pflegevater, den verwitweten Kaufmann Carl Johann Heinrich Behrens, erworben. In den Unterlagen wird sie als Eigentümerin und Privatiere bezeichnet. Sie war als Erbin ihres Pflegevaters finanziell unabhängig, blieb ledig und wurde 1948 neben ihm bestattet (Grablage AF30, 294-95, Ohlsdorf-Katalog Nr. 427). (Abb. 5)


5 Die Trauernde auf der Grabstätte Behrens

Die angeführten Beispiele lassen erkennen, dass die Pohlmannschen Galvanoplastiken von Familien erworben wurden, die wirtschaftlich gut gestellt waren. Aber was kostete seinerzeit eine Galvanoplastik überhaupt? Ein Beispiel aus einem WMF-Katalog von 1903 zeigt den Engel, der in der Ausführung auf der Grabstätte Dabelstein damals 750 Mark kostete. Eine kleinere Version war für 500 Mark zu haben. Welchen Beträgen das in heutiger Währung entsprechen würde, ist schwierig zu ermitteln. Sicher ist aber, dass selbst die preiswerteste Ausführung für Geringverdiener völlig unerschwinglich war.

Dazu kamen dann noch die Kosten für die oft auch nicht gerade kleinen Grabaufbauten und für das Grab als solches. Zwei Drittel der Grabstätten mit Plastiken von Heinrich Pohlmann sind große Familiengräber, die Platz für die Bestattung von acht oder mehr Särgen bieten. Der Preis dafür lag um 1905 bei etwa 350 Mark für eine Ruhezeit von 25 Jahren. Für den Erwerb auf Friedhofsdauer kam noch ein erheblicher Aufschlag dazu. Aber sowohl die Friedhofsdauer - abgeschafft 1995 - als auch viele der Galvanoplastiken waren längst nicht so dauerhaft, wie die Käufer seinerzeit sicher erwartet hatten. Wie bereits eingangs erwähnt, ist in den letzten vierzig Jahren eine bedauerliche Anzahl der bei der Inventarisation entdeckten Pohlmann-Plastiken von den Gräbern verschwunden. Zwar hatte man seinerzeit alle dreißig als erhaltenswert eingestuft, aber nur noch siebzehn befinden sich an ihren ursprünglichen Plätzen, drei weitere wurden umgesetzt. Zum Verbleib der übrigen zehn fehlen im Augenblick Angaben, so dass man nicht weiß, ob sie sichergestellt wurden oder ob wir es hier leider mit "Schwund" zu tun haben.

In vielen Fällen wird wohl der unbefriedigende Erhaltungszustand der Grund für die Entfernung gewesen sein. Zwar ist Diebstahl nicht auszuschließen, doch weniger wahrscheinlich, da Galvanoplastiken durch ihre sehr dünne "Metallhaut" keine lohnenden Objekte sind. Wer sich die noch vorhandenen Figuren anschaut, kann vielfach kleine Schäden erkennen, zum Beispiel Risse in Falten oder an Übergängen, offenbar besonders kritische Stellen. Dort kann durch kleine Fehlstellen Feuchtigkeit eindringen, die zunächst zu inneren Schäden führt und auf Dauer die Figur zerstört. Die Auswirkungen sind zum Beispiel an dieser Hand der "Schreibenden" auf dem Grab Brede/Müller gut zu erkennen (Grablage P27, 85-94, Ohlsdorf-Katalog Nr. 842). (Abb. 6) Bei anderen Plastiken sind die Schäden noch nicht so gravierend, doch ohne aufwändige Restaurierungen, die erhebliche finanzielle Mittel erfordern würden, sind auch sie nicht auf Dauer zu erhalten. Daher ist für die Zukunft leider mit weiteren Verlusten zu rechnen.


6 Detail vom Grab Brede/Müller

Quellen: Leisner, Schulze, Thormann – Der Hamburger Hauptfriedhof Ohlsdorf, Geschichte und Grabmäler, Band 2 – Katalog; Grabregister Ohlsdorfer Friedhof; Hamburger Adressbücher

Fotos: Petra Schmolinske

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Der Bildhauer Heinrich Pohlmann (Juni 2022).
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