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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Eine tierische Liebe - (Mensch-)Tier-Bestattungen als Kulturphänomen

Mensch-Tier-Beziehungen haben kulturgeschichtlich eine lange Tradition. Dies gilt auch für Tierbestattungen, die jedoch erst in der Zeit um 1900 in erste Friedhöfe mündeten. Die im Verlauf des 20. und frühen 21. Jahrhunderts stetig intensivierten Beziehungen zwischen Menschen und Haustieren führten zur Entstehung zahlreicher Tierfriedhöfe und Tierkrematorien. Sie mündeten in der gegenwärtig immer häufiger praktizierten gemeinsamen Bestattung von Mensch und Haustier auf klassischen Friedhöfen.


Für viele Tierhalter ist der Tod des Haustiers (1) eine höchst schmerzvolle Verlusterfahrung. Dies verwundert kaum, hat doch das Tier meist über viele Jahre mit in der häuslichen Gemeinschaft gelebt und Tagesabläufe zum Teil stark bestimmt. Vielfach war es ein wichtiger Spiel- und Freizeitgefährte, bisweilen sogar eine Art Partner- oder Kindersatz und somit ein bedeutsamer Sozialpartner.


Spätestens wenn das Haustier stirbt, stellt sich seinem Besitzer die Frage, was mit dem toten Körper geschehen soll. Der Gedanke, den "kleinen Liebling" der Tierkörperverwertungsanstalt zu übergeben, erscheint vielen Tierhaltern eine unangemessene Option. Tröstliche Alternativen sind dagegen, sein Tier unter Beachtung bestimmter gesetzlicher Vorgaben im eigenen Garten zu begraben (2) oder – wem dies räumlich und damit emotional zu nah ist oder wer kein eigenes Grundstück besitzt – auf einem Tierfriedhof.


Tierfriedhöfe bzw. Tierbestattungen sind bereits aus prähistorischer Zeit überliefert. Nicht immer eindeutig sind die Beweggründe zu ermitteln, die Menschen veranlasst haben, Tieren ein Grab zu bereiten. Etliche Funde früher Tierbestattungen sprechen jedoch dafür, dass man Tiere im Rahmen von Kulthandlungen tötete, um sie als Opfergaben beizusetzen. Dies trifft beispielsweise auf zahlreiche Tiernekropolen im alten ägyptischen Reich zu, darunter die Nekropole von Bubastis mit hunderten von Katzen, die zu Ehren der Katzengöttin Bastet getötet, einbalsamiert und dort beigesetzt wurden (um 1500 v. Chr.). Ein anderes, ebenfalls in einen kultischen Kontext verweisendes Beispiel bildet das Gräberfeld in Ense-Bremen, das neben Humangräbern zwölf Pferdegräber aus der Merowingerzeit (5.-8. Jh.) aufwies. Forscher gehen davon aus – auch aufgrund bestimmter Ausstattungsdetails –, dass die Pferde den Verstorbenen im Jenseits dienen sollten.


Doch unabhängig von im Rahmen des Totenkultes durchgeführten Tierbegräbnissen, boten immer auch schon freundschaftliche Empfindungen für ein Tier Anlass für dessen würdevolle Beisetzung. Allerdings tauchen im christlichen Abendland nennenswerte, auf einer sympathetischen Mensch-Tier-Beziehung beruhende Dokumente von Tierbestattungen erst ab dem 18. Jahrhundert auf. Sie entstammen vorrangig adeliger Provenienz. Dort spielten neben Pferden vor allem Hunde eine große Rolle. Auch wenn Hunde vielfach als Prestigewesen gehalten wurden, wuchsen sie ihren Herrschaften mitunter derart ans Herz, dass sie sie nach ihrem Ableben nicht unbedingt einfach entsorgten, sondern mit einem Grab inklusive Grabzeichen oder einem Epitaph bedachten. Als großer Tierfreund erwies sich beispielsweise Friedrich der Große (1712-1786), der vor allem eine besondere Leidenschaft für Windspiele hatte. Von dieser Hunderasse besaß er elf Exemplare, mit denen er auch – laut seinem Testament – zusammen in einer Gruft beigesetzt werden wollte. Die Namen seiner Windspiele kann man nahe der Terrasse von Schloss Sanssouci auf elf Sandsteinplatten über der Gruftkammer nachlesen. Fast unmittelbar daneben befindet sich die Steinplatte zum Gedenken an ihren berühmten Besitzer (3).


Öffentliche Begräbnisplätze für Tiere entstanden in Europa erst um die vorletzte Jahrhundertwende. Ein wichtiges Vorbild dürfte die 1899 in Paris-Asnière eröffnete Tiernekropole "Cimetière des chiens" gewesen sein, die äußerst imposante Grabmonumente aus ihrer Frühzeit beherbergt und Besucher*innen wahrlich staunen lässt. Auch in anderen Metropolen gab es schon bald offizielle Tierfriedhöfe, in Deutschland z.B. in und um Berlin. Generell jedoch blieben Tierfriedhöfe über viele Folgejahrzehnte seltene Einrichtungen. Erst in der Wende vom 20. auf das 21. Jahrhundert änderte sich dies. Inzwischen liegt ihre Anzahl bei bundesweit etwa 200 Anlagen. Zwar ist damit das geografische Netz an Tierfriedhöfen noch immer recht großmaschig, dennoch verdeutlicht ihr über die letzten drei Jahrzehnte beschleunigter Zuwachs, dass sich die Friedhofskultur zunehmend auch auf das Tier ausweitet, was in einer zunehmenden Intensivierung der Mensch-Tier-Beziehung begründet liegt (4).


Die Ursachen dafür sind in strukturellen Einschnitten zu suchen, die teils bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Dazu zählt vor allem die Industrialisierung mit der daraus resultierenden Urbanisierung, des Weiteren der technische bzw. technologische Fortschritt, genauso aber auch der Prozess der Säkularisierung. All dies hat zu einer immer stärkeren Anonymisierung und Individualisierung der Gesellschaft geführt, nicht zuletzt auch deshalb, weil gesellschaftlich verbindende Institutionen (z.B. Kirche, Vereinswesen) massiv an Einfluss verloren und soziale Beziehungen an Stabilität eingebüßt haben. Dadurch konnte das Tier in zunehmendem Maß in den Mittelpunkt des Interesses rücken, indem es im Gegensatz zum Menschen vermehrt als soziale Konstante wahrgenommen wurde und dies die Intensivierung einer solchen Bindung entsprechend befördert hat.

Ein markantes Abbild der gestiegenen Wertigkeit und Wahrnehmung des Tiers als Sozialpartner stellt aber nicht nur der stete Zuwachs an Tierfriedhöfen seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert dar, sondern ebenso die zunehmende Errichtung von Tierkrematorien. Eine erste solche Anlage wurde im Jahr 2000 in München eröffnet, inzwischen ist ihre Anzahl auf bundesweit nahezu 30 gestiegen. Die Einäscherung von Tieren liegt stark im Trend, denn sie bietet die Option, die Asche in einer Urne nach Hause mitnehmen zu dürfen, wovon laut Aussage des Bundesverbands der Tierbestatter ein Großteil der Tierhalter auch Gebrauch macht (5).

Perspektivisch kann davon ausgegangen werden, dass das Bedürfnis nach Optionen, die einer würdevollen Abschiednahme vom verstorbenen Tier Rechnung tragen, anhalten wird. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Haustierpopulation in den vergangenen Jahren fast ausnahmslos zugenommen hat und absehbar nichts für eine gegenläufige Entwicklung spricht – vor allem auch in Anbetracht des demografischen Wandels mit tendenziell mehr kinderlosen Haushalten, was den Trend zum Tier weiterhin begünstigen dürfte (6).


Die Tatsache, dass dem Ableben eines Haustiers inzwischen gesteigerte Aufmerksamkeit geschenkt und für dessen postmortalen Verbleib unter Wahrung seines Würdeerhalts Sorge getragen wird, hat inzwischen aber auch noch in einem anderen innovativen Bestattungskonzept Niederschlag gefunden. Dieses sieht die gemeinsame Grablegung von Mensch und Tier vor. Was in zahlreichen Ländern schon seit längerem möglich ist (z.B. Schweiz, England, USA), wurde in der Bundesrepublik Deutschland erstmals im Jahr 2015 umgesetzt. Damals errichtete die Deutsche Friedhofsgesellschaft GmbH die ersten beiden Friedhöfe – in Braubach-Dachsenhausen und in Essen-Frintrop – mit der ergänzenden Option, eine Tierurne in ein Humangrab einbringen zu dürfen. Inzwischen sind mehr als ein Dutzend weiterer Städte und Gemeinden nachgezogen, darunter Magdeburg, Aschersleben und Görlitz (zu den Entwicklungen in Hamburg siehe folgenden Artikel von Norbert Fischer).

Ein ganz wesentliches Merkmal besagten Friedhofstyps besteht darin, dass ausnahmslos ein "Humanfriedhof" – und nicht etwa ein "Tierfriedhof" – den institutionellen Legitimationsort für die "postmortale Gemeinschaft" von Mensch und Tier bildet. Dafür werden in aller Regel gesonderte Flächen auf bereits bestehenden Friedhöfen ausgewiesen und optisch von den anderen, „herkömmlichen“ Grabfeldern separiert. Die visuelle Abgrenzung geschieht aus Rücksicht auf jene Friedhofsbesucher, denen ein solches Konzept „zu weit“ geht, etwa weil sie darin eine Gleichstellung von Mensch und Tier sehen und dies für ethisch unangemessen halten. Eine derartige Intention verfolgt das Konzept der Mensch-Tier-Bestattung allerdings nicht, zumal das Tier dem Humangrab lediglich "beigefügt" werden darf, d.h. dem Tier rein rechtlich lediglich der Status einer Grabbeigabe zukommt. Grundvoraussetzung für diese Art der Beigabe ist die Einäscherung und die Überführung in einer Urne.

Obgleich das Konzept von der Mensch-Tier-Bestattung gewissermaßen den neuesten Trend in Bezug auf einen würdevollen Umgang mit dem Haustier-Tod markiert, darf daraus nicht geschlossen werden, als erlebe diese Bestattungsvariante seit ihrer Einführung einen regelrechten Ansturm. Vielmehr will ein solches Konzept dem gestiegenen Bedürfnis nach mehr Individualität und Selbstbestimmtheit, wie es innerhalb der Friedhofskultur seit nunmehr rund drei Jahrzehnten verstärkt zu beobachten ist und in der Etablierung vieler anderer "neuer" Bestattungsformen und Grabarten Niederschlag gefunden hat (7), Rechnung tragen. Angesichts der Tatsache, dass sich immer mehr Menschen an ein Tier binden, verwundert es somit kaum, dass sich ebenso Friedhofskonzepte generieren, die von dieser neuen Qualität im Mensch-Tier-Verhältnis inspiriert sind. Mit der Einrichtung von Mensch-Tier-Grabfeldern wird aber noch ein anderer, eher sachlich orientierter Zweck verfolgt. So bieten jene Grabfelder durchaus die Chance, die wirtschaftliche Krise, in der sich viele Friedhöfe aufgrund brach liegender Flächen (sogenannter Überhangflächen) befinden – dies ist dem ungebrochenen Trend zur Urnenbestattung geschuldet wie auch dem Trend zur Naturbestattung – abzumildern. Ob ein solcher ökonomischer Effekt langfristig tatsächlich erzielt werden kann, bleibt abzuwarten, wie auch ansonsten noch nicht absehbar ist, ob sich die gemeinsame Bestattung von Mensch und Tier rein ideell als tragfähig erweist.

Anmerkungen

(1) Streng genommen meint der Begriff ‚Haustier‘ das im Laufe der Menschheitsgeschichte zu ökonomischen Zwecken domestizierte Tier, das seinen Ursprung in Wildtierarten hat. Im Rahmen dieses Beitrags ist jedoch das 'Heimtier' gemeint, das eine Haustier-Untergruppe bezeichnet und nicht das ökonomisch genutzte, sondern primär aus Interesse und Freude gehaltene Tier definiert. Umgangssprachlich werden 'Haustier' und 'Heimtier' oft synonym verwendet bzw. hat sich 'Haustier' stellvertretend für 'Heimtier' durchgesetzt.
(2) "[E]inzelne Körper von Heimtieren [dürfen], soweit diese auf geeigneten und von der zuständigen Behörde hierfür besonders zugelassenen Plätzen oder auf einem dem Tierhalter gehörenden Gelände, jedoch nicht in Wasserschutzgebieten und nicht in unmittelbarer Nähe öffentlicher Wege und Plätze, vergraben werden. Die Tierkörper dürfen nur so vergraben werden, dass sie mit einer ausreichenden, mindestens 50 Zentimeter starken Erdschicht, gemessen vom Rand der Grube, bedeckt sind", siehe: Verordnung zur Durchführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz vom 27. Juli 2006 (BGBl. I S. 1735), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2254) geändert worden ist (TierNebV), § 27, Abs. 3, unter: ‹https://www.gesetze-im-internet.de/tiernebv/BJNR173500006.html› [Stand: 18.01.2020].
(3) Dass tatsächlich alle Hunde in der Gruft bestattet wurden, ist nicht vollends bewiesen. Bei einer Gruftbegehung wurde lediglich ein Hundeskelett gefunden; vgl. Voß, Karl-Heinz Peter: Die Tiergräber im Park von Sanssouci. In: Friedhofskultur, 89 Jg., 3/1999, S. 17.
(4) Derzeit wird von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau e.V. (FLL), Bonn, ein „Fachbericht Tierfriedhöfe“ erarbeitet, der über planerische, gestalterische, infrastrukturelle, wirtschaftliche sowie betriebsorganisatorische Maßgaben, wie sie an Tierfriedhöfe geknüpft sind, informiert und zugleich diesbezügliche Empfehlungen zur Errichtung von Tierfriedhöfen ausspricht sowie Mindeststandards formuliert. Die Motivation zur Erarbeitung einer solchen Handreichung ist ein ergänzendes Indiz für die gestiegene Relevanz von Tierfriedhöfen. Die Veröffentlichung erfolgt voraussichtlich noch in diesem Jahr.
(5) Dies betrifft selbstverständlich nur Einzeleinäscherungen. Daneben sind auch Sammeleinäscherungen möglich, bei der die Tierasche beim Tierkrematorium verbleibt und dort gesondert beigesetzt wird. Es gibt keine statistischen Angaben hinsichtlich des genauen Anteils an Einzeleinäscherungen, der wiederum der Institution ‚Tierfriedhof‘ zugeführt wird. Siehe dazu auch: ‹https://www.tierbestatter-bundesverband.de/presseinformationen/allgemei…› [Stand: 18.01.2020].
(6) Die Haustierpopulation lag im Jahr 2018 bei 34,4 Millionen (aktuellere Zahlen gibt es bislang noch nicht), wovon 14,8 Millionen auf Katzen und 9,4 Millionen auf Hunde entfielen. Statistisch lebte in jedem zweiten Haushalt mindestens ein Haustier. Zwar waren Haustiere bei Familien mit Kindern nach wie vor sehr beliebt, gleichwohl stieg der Anteil an tierhaltenden Singlehaushalten, außerdem gab es mehr ältere als jüngere Haustierhalter – Tendenz steigend; siehe dazu: ‹https://www.zzf.de/presse/meldungen/meldungen/article/zahl-der-heimtier…› [Stand: 20.01.2020].
(7) Z.B. anonyme Bestattung (anonymes Urnengrab), halbanonyme Bestattung (halbanonymes Urnengrab), diverse Arten an Naturbestattungen (z.B. Baumgrab, Wiesengrab), Urnennischengrab (Kolumbarium); Gemeinschaftsgrabanlagen, Themengräber etc.

Literaturauswahl
- Aeternitas e.V.: Mensch-Tier-Bestattungen. Treue über den Tod hinaus, unter: ‹https://www.aeternitas.de/inhalt/bestatten_beisetzen/themen/mensch_tier…› [Stand: 20.01.2020].
- Deiters, Stephan: Das Gräberfeld von Ense-Bremen. Münster 2007.
- Neurath, Ulrike: Tier und Tod. Mensch und Tier am Beispiel von Tierbestattungen, Frankfurt am Main 2019.

Die Volkskundlerin Dr. Ulrike Neurath ist Kustodin am Kasseler Museum für Sepulkralkultur.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Mensch-Haustier-Bestattungen (Februar 2020).
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