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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Über die alten Hamburger Friedhöfe vor dem Dammtor

Während der früheren Jahrhunderte beerdigte man die Toten unserer Stadt auf den Kirchhöfen innerhalb der Tore oder in den Kirchen selbst, wenn es sich um bedeutende und wohlhabende Persönlichkeiten handelte.

Man legte sie in Grüfte, die mit steinernen Platten bedeckt und mit Inschriften und Namen der Verstorbenen versehen wurden. Zum Ende des 18. Jahrhunderts sollte aus hygienischen Gründen keine Leiche mehr innerhalb der Stadt beerdigt werden. Vor dem Dammtor fand man geeignete Plätze für Begräbnisstätten und zwar zwischen Sternschanze und dem Gebiet, wo sich jetzt Planten un Blomen und die Grenze des Messegeländes erstreckt. Die Kirchen St. Johannis, St. Katharinen, St. Nikolai, St. Petri, St. Michaelis, St. Pauli und St. Gertrud legten hier, jede für sich, ihre Friedhöfe an, auf denen prächtige Baumalleen entstanden ohne gärtnerische Ausschmückung. Jede Kirche baute sich auf diesen Stätten ihre Kapelle, in der die Trauerfeiern stattfanden – meist ohne große Beteiligung, weil die Kapellen kalt waren. Frauen wurden erst im Laufe des 19. Jahrhunderts bei Trauerfeiern zugelassen. Bis dahin hatten sie die zu Hause gebliebenen Witwen zu trösten. So las ich in "Familiengeschichten aus dem alten Hamburg" von Marie Zacharias.

Im Laufe der Jahrhunderte hatten sich so manche Beerdigungssitten geändert. Im 19. Jahrhundert gehörte es immer noch zu den Aufgaben der 16 "Reitendiener", einer Brüderschaft, den Sarg zum Grab zu tragen bzw. ihm zu folgen. Bis etwa zum 18. Jahrhundert gehörte es außerdem zu ihrer Pflicht, den Sarg mit der Leiche tüchtig zu schaukeln. Je vornehmer desto mehr musste geschaukelt werden. Sie trugen eine Perücke, einen schwarzgeränderten breiten Hut, breite weiße krause Halskragen, kurze schwarze faltige Mäntel, weite schlotternde Hosen und einen Degen am Gürtel. Diese Tracht hat sich bei unseren heutigen Sargträgern erhalten, wie auch die Zeremonien ihres Tuns während der Beerdigung.

Im 19. Jahrhundert blühte die Grabmalkultur auf den Dammtor-Friedhöfen. Einige Wohlhabende ließen sich Grüfte ausmauern. Viele Tote wurden in Einzelgräbern beerdigt oder in Familiengräbern. Die Grabmale wurden mit Inschriften, mit Ornamenten und Symbolen versehen, oder sie blieben ganz schlicht mit dem Familiennamen versehen oder nur mit einem Vornamen wie "Pauline". Ihr Grabmal besteht aus einer steinernen Vase – "Paulinenvase" genannt.

Die Brüderschaften ließen sich ebenso in Gemeinschaftsgräbern beerdigen wie auch die "Ämter". So nannten sich die Zunftvereinigungen der Handwerker mit jahrhundertealten Traditionen. Zusammenhaltend hüteten sie ihre Bürgerrechte. Die Grabstätten friedeten sie durch Ecksteine ein, die mit schmiedeeisernen Ketten verbunden waren, aber auch durch Gitter oder Hecken. Immer stand der Amtsstein am Kopfende der Grabstätte meist mit den Emblemen des Amtes und den Namen der "Alten" und "Deputierten", zu deren Zeit der Stein errichtet worden war. Heute befindet sich auf dem Ohlsdorfer Friedhof – seitab der Kapellenstraße – ein Freilichtmuseum für die Grabmäler der Bruderschaften und Ämter im schlichten klassizistischen Stil inmitten von Büschen und Bäumen.

Weil die neuen Dammtorfriedhöfe zunächst als "Elendenfriedhöfe" verschrieen waren, versuchten Hamburger immer noch, die Toten innerhalb der Stadtmauer zu beerdigen, was unter der französischen Besatzung Anfang des 19. Jahrhunderts verboten wurde. Leider führten die Franzosen auch Grausamkeiten aus. Im Jahr 1813 vertrieben sie 4000 Hamburger, weil diese sich keine sechs Monate mehr verproviantieren konnten. Bei eisiger Kälte mussten sie nach der Weihnachtsnacht die Stadt verlassen. Viele wurden von Altonaern aufgenommen, doch über 1000 Menschen starben infolge der Anstrengungen.

In Ottensen setzte man sie auf einer Wiese bei. 1815 ließ die Patriotische Gesellschaft ein Grabmal in Form eines Sarkophages für die Opfer errichten. 1841 nach Ablauf der Pacht für die Ottensener Wiese gab das Kirchspiel St. Nikolai ein Stück seines Begräbnisplatzes für die Aufstellung des Grabmales her. Die Gebeine der Vertriebenen wurden überführt und hier begraben. Seit jener Zeit steht das Denkmal am selben Platz und ist unvergessen. Im Sommer wird es mit weißen Blumen umpflanzt. Wir sehen es von der Jungiusstraße (heute: St.-Petersburger Straße. Red.) aus durch das Gitter zu Planten un Blomen hin. Vom Park aus erreichen wir es auf einem durch Buschwerk unauffälligen Pfad, von wo aus wir die Inschriften auf allen vier Seiten lesen können. Auf der Frontseite steht geschrieben: "Diesen Denkstein errichteten Hamburgs trauernde Bürger ihren entschlafenen Mitbürgern im Jahre 1815".

Das Freilichtmuseum im Heckengarten auf dem Ohlsdorfer Friedhof nahe der Kapelle 10 verwahrt inzwischen die künstlerisch bedeutendsten Grabmäler der ehemaligen Dammtor-Friedhöfe. Von Gedenkstein zu Gedenkstein bin ich gegangen und bewunderte die hohe Kunst der Steinmetze. Die als Relief herausgemeißelten Symbole der Seele wie Schmetterlinge, Bienen und Libellen, die nach dem Tode den Körper verlassen. Oder aber die Zeichen des Todes, dargestellt als ein umgeknickter Halm oder umgekehrte Fackeln. Die sich in den Schwanz beißende Schlange symbolisiert den ewigen Kreislauf der Natur.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Musealisierung der Friedhöfe (Februar 2009).
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