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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der Ginkgo, ein Urweltbaum auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Reise des Förderkreises im September 2001 zu historischen Friedhöfen in Weimar ist Anlass, diesen einzigartigen und geheimnisvollen Baum vorzustellen, denn in Weimar war das fast 200 Jahre alte Exemplar hinter dem ehemaligen Fürstenpalast bei unserem Stadtbesuch fast ein "Muss", und in Ohlsdorf wird oft nach diesem Gehölz gefragt.

Der Ginkgo ist ein Urweltbaum, der vor 150 Millionen Jahren nicht nur in Asien, sondern auch in Europa und anderswo heimisch war. Älteste Versteinerungen reichen sogar 300 Millionen Jahre zurück. Ginkgobäume gehören damit nicht nur zu den ältesten Fossilien, die heute noch lebend existieren, sie können auch individuell uralt werden, mehr als 1000 Jahre sind keine Seltenheit.

Der Ginkgo, mit botanischem Namen Ginkgo biloba, ist ein sommergrüner zweihäusiger in Japan beheimateter Baum, der sowohl Lang- als auch Kurztriebe aufweist. Seine Blätter sind fächerförmig und parallelnervig. Die Blüten stehen einzeln und in den Achseln der Blätter. Die männlichen sind kätzchenartig, die weiblichen langgestielt mit am Stielende zwei gegenüberliegenden Samenanlagen. Es gibt nur diese eine Art, das einzige Relikt einer in der Vorzeit weitverbreiteten, bis auf diese Art ausgestorbenen Pflanzengruppe.

Der älteste Ginkgo in Deutschland steht im Harbker Gutspark des Grafen von Veltheims (südöstlich von Braunschweig). Er wird auf ein Alter von 210 Jahren geschätzt. Der oft erwähnte Ginkgo an der Rückfront der Musikhochschule in Weimar, dem damaligen Fürstenhaus, dürfte um 1813 nicht von Goethe, sondern von den Gebrüdern Sckell, den Hofgärtnern des Fürstenhauses, als Steckling gepflanzt worden sein. Solche Stecklinge wurden damals von der Orangerie am Schloss Belvedere, das dem Herzog Carl August zu Weimar gehörte, zum Preis von einem Taler je Stück verkauft.

Auf dem Friedhof Ohlsdorf gibt es mehrere Ginkgobäume. Zwei stattliche Exemplare stehen südlich der Mittelallee gegenüber dem Nebenzugang zu den deutschen Soldatengräbern des II. Weltkrieges. Sie flankieren mit ihrem schlanken Wuchs den abwärtsführenden Weg auf der Grenze Bl 52/53. Sie mögen wohl an die siebzig Jahre alt sein und weisen einen Stammumfang von etwa 170 cm auf. Weitere Exemplare, aber wesentlich kleiner und jünger, sind verstreut auf dem Friedhof anzutreffen.

Die Eigenschaften des Ginkgos, Heilkraft gegen das Vergessen zu spenden, resistent gegen lebenszerstörende Widrigkeiten zu sein, aber auch die Aura des Geheimnisvollen, die diesen Urweltbaum umgibt, hat den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. bewogen, 1995 die Aktion Ginkgo ins Leben zu rufen. Unter dem Motto GEGEN DAS VERGESSEN - FÜR EIN WACHSEN IN FRIEDEN wurden allerorten Ginkgobäume gepflanzt. In Ohlsdorf pflanzte der Landesverband Hamburg aus Anlass des 50-jährigen Gedenkjahres zum Kriegsende 1945 drei Bäume auf folgenden markanten Standorten:

  1. Am Nebenzugang zu den deutschen Soldatengräbern des II. Weltkrieges, von der Mittelallee aus nach etwa 10 m links (Bm 52).
  2. Am Grabfeld russischer Kriegsgefangener, gleich rechts des Zugangs an der Linnestraße (AD 38).
  3. Im Grabfeld der Opfer verschiedener Nationen, von der Sorbusallee aus etwa 50 m links des Plattenweges (Bq 74).

Ein weiterer Ginkgobaum wurde vom Volksbund 1998 im Gedenken an die britischen und alliierten Flieger gepflanzt, die während der Berliner Luftbrücke 1948/49 ums Leben kamen. Er steht am Verbindungsweg zwischen den beiden britischen Kriegsgräberanlagen bei Kapelle XII.

Weitere Angaben über den Ginkgobaum, insbesondere die botanische Beschreibung, die ihm zugesprochenen Heilkräfte und seine enorme Resistenz gegenüber äußeren Einflüssen, können Interessierte einem Informationsblatt entnehmen, das der Förderkreis im Museum Friedhof Ohlsdorf kostenlos bereit hält. Zu empfehlen ist auch das Buch "Ginkgo - Urbaum und Arzneipflanze - Mythos, Dichtung und Kunst" von Maria Schmidt und Helga Schmoll, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 1994.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Kinder erleben den Friedhof (November 2001).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).