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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Friedhöfe Verlorener auf Fuerteventura

Der Immigranten-Friedhof in Moro Jable

Die Not in den schwarzafrikanischen Ländern treibt viele dort Einheimische zur Auswanderung. Doch sind die legalen Wege versperrt, weshalb sie unter Aufopferung ihrer letzten Habe sich Schleppern anvertrauen. Diese schleusen sie in Dünentälern der Westsahara in Marokko. Dort haben andere Schlepper minderwertiges Bauholz und Werkzeug gelagert. Nach primitiven Plänen und unter mangelhafter Anleitung müssen die Flüchtlinge ihr Fluchtboot selber zimmern. Ist es fertig, wird es heimlich an die Atlantikküste gebracht, mit fliehenden Menschen vollgestopft und über die nur 100 km breite Wasserschneise zwischen Marokko und Fuerteventura gebracht. Wenige Seemeilen vor dieser Kanareninsel verlassen die Schlepper ihre traurige Fracht und überlassen diese Ärmsten ihrem Schicksal. Das bedeutet bei den häufig bis Stärke sieben wehenden Passatwinden, dass die Boote kentern oder auf die spitzsteinige Vulkanküste geworfen werden.

Immigranten-Friedhof
Immigranten-Friedhof für Schwarzafrikaner in Moro Jable (Foto: Mauss)

Keiner kann schwimmen – die Folge sind viele Tote, die an den Badestrand dieser schönen Insel antreiben. Im Januar 2003 fand man nahe Costa Calma etwa zwanzig tote Schwarze. Sie ruhen nun als „Inmigrante“, d. h. „Einwanderer“, auf dem Friedhof in Moro Jable.

Grabinschrift
Grabinschrift auf dem Immigranten-Friedhof in Moro Jable (Foto: Mauss)

Da 2004 die Zahl steigt, hat man nun in der Hauptstadt Rosario einen Sammelfriedhof für diese Unglücklichen angelegt. Hier ruhen Hunderte von „toten Einwanderern“, tot muss man sie aufnehmen, lebendig will sie keiner haben – sie müssen dann wieder zurück nach Afrika.

Der verwehte Friedhof in den Dünen von Cofete

An der einsamen, kaum bebauten Südwestküste von Fuerteventura liegt eine Häuseransammlung mit dem Namen Cofete. Von Tourismus keine Spur. Arme Bauern, einige entwurzelte Zugewanderte hausen hier in ärmlichen Hütten, die sich an den Gebirgshang des Monte Jandia lehnen.

Nahe dieser Armut dann ein wildromantischer-bezaubernder Atlantikstrand mit feinem, gelben Sand. Der stete Nordostpassat erzeugt meterhohe Wellen, die sich hier in brausender Brandung brechen.

Cofete
Grabstätte auf dem Dünen-Friedhof bei Cofete (Foto: Mauss)

Knapp 100 Meter von dieser Gischt entfernt liegt verloren der Friedhof von Cofete. Einheimische, Vagabunden, Ertrunkene und Angeschwemmte liegen hier begraben: Ein Loch im Dünensand, ein Hügel aus Vulkangestein, ein notdürftiges Holzkreuz aus Kistenbrettern; vereinzelt ein Name. Über alles braust in unterschiedlichen Stärken, aber regelmäßig der Nordost-Passat, verweht mit dem Strandsand die Gräber und bildet kleine Dünen in jeder Grabstelle. Ein Bild der Verlorenheit – aber auch der Romantik. Die Spuren im feinen Sand verweht augenblicklich der Wind, man ist mit den einsamen Toten allein. Ein Symbol der Vergänglichkeit menschlichen Lebens!

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Begraben im Abseits (November 2004).
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