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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Historische Substanz im lebendigen Umfeld - Ein Dorffriedhof in Westmecklenburg

Autor/in: Marika Werner
Ausgabe Nr. 87, IV, 2004 - November 2004

Wie andere Kulturstätten unterliegen auch Friedhöfe dem Wandel der Zeit, sind Ausdruck der jeweiligen Sozialordnung, des Zeitgeschmacks und der veränderten Nutzungsansprüche.

Eine besondere Verantwortung für den Erhalt von historischer Substanz ergibt sich in genutzten Anlagen, da immer auch der räumliche Kontext für das historische Objekt geachtet werden sollte.

Historische Substanz

In dem kleinen Dorf Groß Brütz im Landkreis Nordwestmecklenburg ist der Kirchhof in der historisch überlieferten Anlage als Einheit von Kirche und Begräbnisstätte noch weitgehend erhalten und stellt mit der historischen Substanz an Grabstätten und der Kirche ein eindrucksvolles Ensemble dörflicher Kultur dar.

Die Anlage befindet sich im Zentrum des Dorfes und wird weiterhin genutzt. Die Kirche steht dominierend auf einer Geländekuppe inmitten des historischen Friedhofsteils. Friedhofserweiterungen im 20. Jh. wurden im direkten Anschluss an das alte Gelände vorgenommen.

Kirche Groß Brütz
Kirche und Kirchhof Groß Brütz (Foto: Werner)

Zur erhaltenen überlieferten Anlage gehören der Grenzverlauf mit der Einfriedung, der Wegeverlauf, die einheitliche Ausrichtung der Gräber in Richtung Osten („Ostung“) und alte Eschen westlich vor dem Kirchturm, von jeher als Windschutz vor die Kirchtürme gesetzt und in der Art typisch für Dorffriedhöfe. In den Grabfeldern um die Kirche herum liegen die ältesten Grabstätten des Friedhofs: Die älteste der Familie Grieffenhagen von 1836 mit Grabplatten auf der Familiengruft sowie die Grabstätte der Familie Diestel. Deren eiserne Grabgitter geben Zeugnis von der Schmiedekunst zur Zeit des Jugendstils. Das Grabfeld rund um die Kirche ist in bevorzugter Lage, die ästhetisch gelungene Art der Grabstätten und Grabmale ist hier für das Friedhofsbild besonders wichtig. Die in letzter Zeit erfolgte Restaurierung der alten Substanz seitens der Eigentümer sowie die Rückverlegung einer Familiengrabstätte in diesen Friedhofsteil widerspiegelt auch die Wertschätzung für die Gesamtanlage.

In den Grabfeldern nahe der Kirche befinden sich zahlreiche Familiengräber, die hier aus der Belegungsphase des 19. Jh. erhalten sind sowie die Familiengräber aus jüngerer Zeit, darunter Grabstellen alteingesessener Bauernfamilien, die sich jeweils durch eine einheitliche Grabgestaltung wie der Einfassung, dem Grabkreuz/Kreuzstein und den Grabsteinen in Form von Obelisken auszeichnen.

Grabstein
Grabsteine in Form von Obelisken (Foto: Werner)

An zahlreichen weiteren Gräbern finden sich steinerne Grabkreuze. Erhalten sind die Grabkreuze ehemaliger Pastoren der Kirchengemeinde. Außerdem sind einige schöne, bruchraue Grabsteine aus dem 20. Jh. noch an ihrem ursprünglichen Platz zu finden.

Auf dem Friedhof gibt es keine befestigten Wege, je nach Nutzungsintensität sind es Sandwege (z.T. mit wassergebundener Decke) oder kurz gehaltene Rasenwege. Sie wirken wohltuend ungezwungen. Wo sie zu finden sind, harmonisieren sie mit der Vielfalt der Grabsteine und des Grabschmuckes und tragen zur Einheit des Grabfeldes bei.

Eine in letzter Zeit wieder hergestellte Umfriedung aus Feldsteinen unterstreicht den naturnahen Charakter des Dorffriedhofs.

Gefährdung

Der historische Friedhof ist in seiner überlieferten Anlage und in wesentlichen Bestandteilen weitgehend erhalten. Durch die natürliche Alterung der Wege und des Gehölzbestandes, aus dem gewandelten Geschmack und den heutigen Nutzungsansprüchen auf dem Friedhof selbst und in dessen Umgebung ergeben sich jedoch zahlreiche Konflikte. Deren häufig pragmatische Lösung darf jedoch die gartendenkmalpflegerischen Aspekte nicht außer Acht lassen.

So sind wertvolle Sichtbeziehungen zu bewahren, wieder herzustellen oder aber die Wirkung unmaßstäblicher Bauten im Übergangsbereich zur ehemals bebauungsfreien Landschaft zu mildern. Weitere Fragen ergeben sich z. B. zum Umgang mit ungenutzten Flächen, mit Wegeabschnitten, mit dem Gehölzbestand, zur Flächenfindung für eine geordnete Abfallentsorgung und für Parkplätze. Neben einer praktisch-sinnvollen und denkmalschutzgerechten Lösung konzeptioneller Fragen, die die Flächennutzung betreffen, ergibt sich Regelungsbedarf für die Gestaltung der Grabfelder, um den ursprünglichen Charakter zu erhalten.

In den letzten Jahren wurden auf allen Grabfeldern Neubestattungen vorgenommen, so dass auch die besonders wertvollen Grabfelder eine annähernd gleichmäßig durchmischte Altersstruktur aufweisen. Durch die Nutzung wird der Kirchhof lebendig gehalten und es kann Historisches für die Zukunft angelegt werden. Es werden aber auch individuelle Vorstellungen der Flächen- und Einzelgrabgestaltung sichtbar, die den Gesamteindruck gefährden können.

Grabfeld V
Luftaufnahme von Grabfeld V (Foto: Werner)

Eine heute beliebte Form der Grabeinfassungen sind Kantensteine. Sie kommen in allen denkbaren Steinfarben und häufig auf Hochglanz poliert vor. Ein Überwachsen dieser durchaus praktischen, weil pflegeleichten Einfassung ist von den Nutzungsberechtigten häufig nicht gewünscht, insbesondere dann nicht, wenn Waschkies oder polierter Stein einen Teil der Grabfläche bedeckt. Diese Gräber wirken zwar sauber, aber isoliert neben den anderen liegend und tragen nicht zur Harmonie des Grabfeldes bei.

Eine Vielzahl an Koniferen, wie Zuckerhutfichten, Scheinzypressen und Wacholder, auf den einzelnen Gräbern hat inzwischen eine raumwirksame Höhe von 1,50 m und höher erreicht, wodurch sie die Grabfelder charakterisieren. Freiwachsende, bodenständige und für alte Dorffriedhöfe typische Sträucher sind auf den Grabfeldern kaum noch zu finden. Nur sehr vereinzelt kommen Flieder und Rosen vor, häufiger durchgewachsene Büsche von Buchsbaum und Liguster.

Die Ruhe ausstrahlende Wirkung von Gräbern ergibt sich in erster Linie aus einer dauerhaften Bepflanzung, in die kaum einmal einzugreifen ist und die dadurch den Eindruck von Unberührtheit vermittelt. Solche Gräber kommen nur vereinzelt vor. Eine einheitliche und ruhige Wirkung wird auch von Buchsbaum umsäumten Gräbern vermittelt, wenn sie in mehreren beieinander liegen und die Hecken nicht höher als 40 cm geschnitten sind.

Ausblick

Besinnt man sich auf den Charakter von Dorffriedhöfen und auf die Geschichte des Groß Brützer Friedhofs, so ergeben sich viele Chancen, die kostbare historische Substanz bewusst zu bewahren, entstandene Mängel zu beseitigen und mögliche Fehlentwicklungen zu verhindern.

Mit diesem Ziel wurde für den Friedhof Groß Brütz ein Konzept auf gartendenkmalpflegerischer Grundlage zur Erhaltung der Gesamtanlage erarbeitet, in dem heutige Leitlinien für Dorffriedhöfe genannt, Ziele formuliert und Maßnahmen zu ihrer Umsetzung aufgezeigt werden.

Verständnis zu wecken und Bewusstsein zu schärfen bei Verantwortlichen und Nutzungsberechtigten sind Voraussetzungen, um die Prinzipien zur Erhaltung des historisch wertvollen Friedhofs in Groß Brütz in die Friedhofssatzung zu übernehmen und auf ihre Einhaltung zu achten.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Begraben im Abseits (November 2004).
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