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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Europäische Friedhofskonferenz und Allerheiligentag in Murcia (Spanien)

Am 30. und 31. Oktober 2018 fand in Murcia eine internationale Konferenz zur europäischen Friedhofskultur statt.

Sie wurde veranstaltet von der Universität Murcia (Philosophische Fakultät, Zentrum für Europa-Studien), der Stadt Murcia und der An thropologischen Gesellschaft Murcia (SOMA). Organisatoren waren Klaus Schriewer und Pedro Martinez Cavero von der Universität Murcia. Konkreter Anlass für die Konferenz waren Bestrebungen, den Cementerio Nuestro Padre Jesús als bedeutendsten Friedhof der spanischen Universitätsstadt im Kontext europäischer Friedhofskultur zu würdigen.

In seinem Einführungsvortrag thematisierte Norbert Fischer die Entwicklungen der europäischen Friedhofskultur seit der Reformationszeit und widmete sich dabei unter anderem den Veränderungen und Besonderheiten in Spanien. Dabei spielten insbesondere Aspekte der Konfessionalität eine wichtige Rolle, wie sich beispielhaft an der zeitlich unterschiedlichen Einführung von Feuerbestattung und Aschenbeisetzung zeigen lässt. In der folgenden Podiumsdiskussion mit Vertretern der Stadt Murcia, der Stadt Alvoy und einer Architektin ging es darum, wie die Verwaltungen auf die Herausforderungen reagieren, mit denen sich die Akteure Friedhofswesen gegenwärtig konfrontiert sehen. Einerseits wurde debattiert, wie die Friedhöfe in einem Land ohne Friedhofspflicht für die Asche von Verstorbenen auf die neue Situation reagieren können und andererseits, wie dem wachsenden Interesse am Friedhof als Zeuge der Geschichte begegnet werden kann. Klar wurde auch, dass die spezifisch spanische Sepulkralkultur besonders von Mausoleumsbauten geprägt ist. Der erste Konferenztag wurde mit einem Dokumentarfilm über den Friedhof und seine Akteure beschlossen.

Der zweite Konferenztag begann mit einem Vortrag von Klaus Schriewer über die Möglichkeiten der historisch-biographischen Forschung für die Untersuchung der Friedhofskultur. Unter Leitung des Referenten sind in studentischen Projekten bislang vier aufwändig gestaltete Broschüren entstanden. Sie dienen als Führer und thematisieren unterschiedliche Aspekte einerseits der Friedhofs- und Grabmalkultur, andererseits der Stadtgeschichte von Murcia. Eine Broschüre ist beispielsweise den lokalen Schriftstellern und Künstlern gewidmet, weitere den bürgerlichen Eliten des 19. Jahrhunderts und bedeutenden Frauen aus Murcia. Der folgende Vortrag von Miguel Rubio widmete sich einer vergleichbaren Anlage, ihrer kulturhistorischen Bedeutung und den entsprechenden Unterschutzstellungs-Maßnahmen im Küstenort Mazarrón. Der Historiker José A. Molina und die Kunsthistorikerin Mª Dolores Palazón von der Universidad de Murcia stellten eine Detailanalyse des durch seine eklektische Architektur geprägten Mausoleums der großbürgerlichen Familie Guirao Almansa vor. Der Ethnologe Thomas García spürte den Spuren des Ende des 19. Jahrhunderts geschlossenen Friedhofs Albatalia nach, der vor den Toren Murcias lag und heute nicht mehr existiert.

Die Anthropologin Sol Tarrés aus Huelva beschäftigte sich mit den Trauerzeremonien religiöser Minderheiten und mit multiethnischen Formen der Bestattung in der spanischen Exklave Ceuta.

Emilio del Carmelo Tomás Loba ging in seinem Vortrag auf die Tradition der Auroren ein, musikalischen Vereinigungen, die die spanische Trauerkultur mit ihren religiösen Gesängen bereichern und bei Beerdigungen und alljährlich am 1. November auf den Friedhöfen ihre verstorbenen Mitglieder ehren. Abschließend stellte die Architektin Monica Martínez Vicente ihre Visionen und architektonischen Entwürfen für Friedhöfe des 21. Jahrhunderts vor.

Murcia Eingang
Friedhof Murcia, Eingang am Allerheiligentag 2018. Foto: Norbert Fischer

Am 1. November bestand Gelegenheit, die Veranstaltungen zum Allerheiligen-Tag ("Día de Todos los Santos") auf dem Friedhof von Murcia zu besuchen. Dazu zählten ein Gottesdienst, Musikveranstaltungen und andere Aufführungen. Jenseits dessen war besonders eindrucksvoll, mit welchem Engagement die Grabstätten bereits Tage zuvor mit Blumen und anderen Insignien geschmückt worden waren. Am Allerheiligen-Tag selbst zeigte der Friedhof mit seinen zahllosen Besuchern einen volksfest-ähnlichen Charakter. Vor dem Friedhofseingang boten zahlreiche Stände ihre Produkte an. Für die Stadt zählt der Allerheiligen-Tag auf dem Friedhof zu den bedeutendsten Ereignissen im Jahreslauf.

Blumenschmuck
Blumengeschmückte Grabstätten. Foto: Norbert Fischer
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