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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Trauern und Gedenken online

Autor/in: Tabea Christa
Ausgabe Nr. 142, III, 2018 - August 2018

Das Internet und die digitale Welt, Social Media und Online-Plattformen spielen eine immer wichtigere Rolle im Leben und Alltag von Menschen.

Immer mehr Bereiche werden um einen virtuellen Faktor erweitert. Und auch im Umgang mit Trauer sind verschiedene Phänomene im Internet zu beobachten, etwa Online-Todesanzeigen, digitale Friedhöfe, aber auch Gedenkseiten und Trauer- und Erinnerungsaktivitäten auf Facebook. Im Folgenden möchte ich diese verschiedenen Entwicklungen, deren Gestaltung und Möglichkeiten, aber auch die Motive für die Verwendung der verschiedenen Dienste beleuchten.

Todesanzeigen im WorldWideWeb

Die Todesanzeige als ein öffentliches, schriftliches Medium, das über den Tod einer Person informiert und angibt, wann öffentlich um diese Person getrauert wird, hat sich seit dem 19. Jahrhundert etabliert. Sie wird von Familienmitgliedern des/der Verstorbenen verfasst, aber auch von Freund_innen, Arbeitgeber_innen und Vereinen. Manchmal dienen sie nicht nur der Information, sondern durchaus auch der Selbstdarstellung. Diese Beschreibung trifft prinzipiell auch auf die Todesanzeigen zu, die nicht mehr (nur) in der Zeitung erscheinen, sondern auch online geteilt werden. So gibt es Zeitungen, welche alle im Printmedium veröffentlichten Todesanzeigen auch digital zugänglich machen, Regionalzeitungen, wie etwa die Vorarlberger Nachrichten http://todesanzeigen.vol.at oder die Tiroler Tageszeitung https://traueranzeigen.tt.com. Es gibt aber auch Internetplattformen, die nur auf Todesanzeigen spezialisiert sind, wie die Seite www.trauer.de, die Todesanzeigen aus Tageszeitungen in ganz Deutschland sammelt und so direkt Ort des Gedenkens werden kann. Was den meisten dieser Webseiten gemeinsam ist, betrifft die Besonderheit, dass das Medium Internet sehr interaktiv und kommunikativ genutzt werden kann: Es kann gleichzeitig Medium der Kommunikation, Information und Präsentation sein. Diese Tatsache unterscheidet es von anderen zuvor existierenden Medien, die für das Mitteilen von Trauer verwendet worden sind.

Was die Handhabung dieser Seiten angeht, so findet sich auf dem Großteil der Todesanzeigen-Webseiten die Option, eine virtuelle Gedenkkerze für den/die Verstorbene anzuzünden. Die Kerzen können oft mit einer persönlichen Nachricht versehen werden und dazu gibt es meist die Möglichkeit, direkt einen Kondolenzbucheintrag zu hinterlassen. Einige dieser Plattformen bieten zusätzliche Services an, etwa den Nutzer_innen mithilfe eines E-Mail-Newsletters immer die aktuellsten Todesanzeigen zukommen zu lassen Oder sie richten sogar eine Applikation ("App") für das Smartphone ein, welche die veröffentlichten Todesanzeigen auch mobil auf dem Handy zugänglich macht. Ein weiteres Merkmal, das diese Variante von den analogen Todesanzeigen unterscheidet, ist außerdem die Reichweite, denn im Internet erreichen Todesanzeigen ein viel größeres Publikum, als es über eine Lokalzeitung je möglich wäre. Dass die Information deutlich mehr Menschen zugänglich ist, kann verschiedene Konsequenzen haben, auf die ich hier nicht näher eingehen kann.

Online-Friedhöfe

Während Online-Todesanzeigen trotz unterschiedlicher Interaktionsmöglichkeiten dem Schema der analogen Todesanzeige ziemlich treu bleiben, sind virtuelle Friedhöfe ein deutlicherer Indikator für eine Veränderung in der Trauerkultur. Das Phänomen der virtuellen Friedhöfe nahm seinen Anfang in den 1990er Jahren in Nordamerika. Im deutschsprachigen Raum gab es den ersten wichtigen kommerziellen Anbieter in diesem Sektor Ende der 1990er Jahre. Einige dieser frühen Plattformen wie etwa "Hall of Memory" und "Memopolis" existieren heute allerdings nicht mehr, was unter anderem die Frage nach der Dauerhaftigkeit von solchen Friedhofs-Plattformen aufwirft. Die Homepage www.onlinefriedhof.net bietet einen Überblick über das Angebot an Internet-Gedenkstätten im deutschsprachigen Raum sowie für einzelne andere Länder und sogar eine Bewertung der unterschiedlichen Anbieter.

Es handelt sich bei den früheren als auch bei den aktuellen Varianten um Gedenk-Webseiten. Hier können individuelle Mikroseiten für Verstorbene erstellt werden, auf denen die Möglichkeit für individuelle Gestaltung und interaktives Handeln gegeben sind. Solche Dienstleistungsseiten werden entweder privat oder kommerziell betrieben, einige sind kostenlos nutzbar und finanzieren sich über Werbeanzeigen. In manchen Fällen ist die Basisnutzung kostenfrei und gewisse Funktionen können durch Bezahlen freigeschaltet werden. Andere Seiten wiederum sind überhaupt nur gegen Bezahlung nutzbar. Auf der Mehrheit dieser Online-Gedenkseiten ist es notwendig, sich zu registrieren und anzumelden, um ein virtuelles Grab bzw. eine persönliche Gedenkseite anzulegen. Ohne Anmeldung hat man als Besucher_in auf der Homepage zwar meist auch Zugang, aber die interaktiven Funktionen sind oft auf registrierte Nutzer beschränkt.

Beispiele anhand derer sich die wandelnde Trauer- und Erinnerungskultur im virtuellen Raum betrachten lässt, sind etwa der Online-Friedhof www.strassederbesten.de oder auch die Plattform www.gedenkseiten. Beworben werden diese oft mit Hinweisen auf die Dauerhaftigkeit, die individuellen Möglichkeiten, die große Reichweite und die tageszeitunabhängige Erreichbarkeit. Abgesehen von solchen allgemeinen Friedhöfen gibt es auch Online-Friedhöfe für spezielle Gruppen, wie etwa verwaiste Eltern, die um ihre Kinder trauern. Ein besonderes Phänomen sind auch virtuelle Tierfriedhöfe wie www.mournium.de, die auf die gleiche Art und Weise funktionieren.

Auf der Seite www.strassederbesten.de, aber auch auf anderen, kann eine Online-Gedenkstätte angelegt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob man dafür den richtigen, einen erfundenen oder gar keinen Namen des Betrauerten angibt, wobei ein großer Teil der virtuellen Gräber durchaus auf einen Namen lautet. Der/die Ersteller_in der Online-Grabstätte kann zwischen verschiedenen Orten wählen, an denen das virtuelle Grabmal zu finden sein soll, wie etwa auf dem "Berg der Ruhe", dem "christlichen Friedhof" oder dem "muslimischen Friedhof" usw.

Vor allem kann auf vielen dieser Seiten nicht nur eine einfache Gedenkseite erstellt werden, sondern, wie auf der Webseite von "strassederbesten", ein virtuelles Grab. Dieses kann mithilfe von vorgegebenen Grafikelementen und vorhandenen ästhetischen Schemata gestaltet werden. Die Optik und die Symbolik sind dabei oft jenen auf den Grabstätten von Friedhöfen im physischen Raum ähnlich. Es wird zum Beispiel erst ein Grabstein ausgewählt, die Aufschrift bestimmt, und dann können verschiedene Symbole wie Blumen, Vögel, Herzen, Schmetterlinge, Engel, Kreuze oder Kerzen am Grab angebracht werden.

Auf der Plattform www.gedenkseiten.de gibt es zwar nicht die Möglichkeit, ein Online-Grabmal zu kreieren, dafür aber kann eine individuelle Gedenkseite erstellt werden, auf der es Raum für einen Nachruf in Textform, für Musik, für Fotos und Videos des Verstorbenen gibt und häufig auch Fotos des physischen Begräbnisortes. Bei den meisten der Internetgedenkseiten-Anbieter können virtuelle Kerzen entzündet werden, und auch das erwähnte digitale Kondolenzbuch ist meistens vorhanden. Zusätzlich wird in vielen Fällen auch die Besucherzahl von jeder Online-Gedenkstätte angezeigt. Deutlich wird, dass viele Rituale, wie etwa das Entzünden einer Kerze am Grab – eines der bedeutendsten Symbole des Totengedenkens – ihren Weg in die digitalen Trauerräume gefunden haben.

Häufig gibt es eine Suchfunktion, die es ermöglicht, den realen Sterbeort einzutippen und so nach den Gedenkseiten bestimmter Personen zu suchen. Einige der Seiten bieten auch die Funktion, durch das Angeben des Namens und der Adresse des realen Friedhofes, die technische Infrastruktur der einzelnen Gedenkseite mit dem tatsächlichen Bestattungsort zu verknüpfen. Diese Verknüpfung kann durch das Hochladen von Fotos der physischen Grabstätte auf der digitalen Gedenkseite erfolgen. Oft wird auf solchen Seiten auch die Verknüpfung einer Gedenkseite mit sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter vorgeschlagen. Die Gedenkplattform www.stayalive.com/de schlägt sogar vor, dass man sich selbst schon zu Lebzeiten ein Online-Grab beziehungsweise eine Erinnerungsseite vorbereiten kann.

Auf privaten Gedenkseiten, also wenn eine eigene Website für eine verstorbene Person angelegt wird, finden sich ähnliche Elemente wie auch auf den oben beschriebenen Gedenkseiten. Es wird meist mit Text und Bild sowie auch mit Video und Musik gearbeitet. Dabei bleibt den Hinterbliebenen sehr viel individueller Spielraum, um das Leben und den Tod, die Familie und die Umgebung des/der Verstorbenen darzustellen. Vor allem die Emotionen des Erstellers/der Erstellerin sind ein essentieller Bestandteil bei der Gestaltung von solchen Gedenkseiten. Viele der Seiten folgen dem Muster, dass im digitalen Gedenken das Leben der Verstorbenen noch einmal nacherzählt wird. Besonders werden die Erfolge hervorgehoben, und damit erinnern diese Gedenkseiten in einigen Aspekten an den bürgerlichen Grabmalkult des 19. Jahrhunderts.

Eine große Anzahl an Gedenkseiten wird von engen Familienangehörigen für verstorbene Kinder und Jugendliche eingerichtet. Links zu Selbsthilfegruppen sind nicht unüblich auf solchen Gedenkplattformen. Durchschnittlich sind diese Gedenkseiten meist nicht länger als zehn Jahre aktiv. Private Gedenk-Websites waren vor allem zwischen 2000 und 2009 sehr beliebt, seitdem hat sich die digitale Trauer mehr in den Bereich der sozialen Medien verlagert, wie etwa Facebook.

Trauer, Gedenken und Facebook

Die Relevanz, die Facebook in unserer aktuellen Gesellschaft erreicht hat, deutet schon an, dass dieses soziale Netzwerk in der Trauerbewältigung eine immer größere Rolle spielt. Es handelt sich bei Facebook um ein Medium, das mehrere Kommunikationsarten ermöglicht. Die Strukturen des sozialen Netzwerkes legen einen Fokus auf Beziehungen, die visualisiert und vernetzt werden und animieren zum aktiven Kontakt. Außerdem fordert das Format von Facebook zur Selbstdarstellung und zum Identitätsmanagement auf. Die Anteilnahme durch Kommentare und die Bewertung von Beiträgen sind erwünscht. Zugang zu Facebook erlangt man durch das Registrieren und Anmelden mit einem eigenen Profil. Der Kommunikationsraum bleibt dadurch begrenzt, dass Benutzer_innen bestimmen, mit wem sie sich über eine Facebook-Freundschaft verbinden wollen.

Wenn es um den Umgang mit dem Tod auf Facebook geht, gibt es mehrere Aspekte zu betrachten. So wird die Plattform unter anderem dafür genutzt, Erinnerungsseiten oder Trauer-Gruppen für kürzlich Verstorbene, Prominente, schon länger tote Berühmtheiten oder auch für Haustiere einzurichten. Näher eingehen möchte ich nun aber auf die Situation, wie Individuen im Rahmen ihrer Profilseite und des Facebook-Profils des/der verstorbenen Bekannten, ihre Trauererfahrung leben. Das beginnt beim Profil des/der Toten, welches entweder unverändert bestehen bleibt, von Angehörigen deaktiviert bzw. gelöscht wird oder in eine Art Gedenkseite mit eingeschränkten Funktionen umgewandelt wird, wenn der Tod der betroffenen Person bei Facebook gemeldet wird. Wer dabei selbst vorsorgen will, kann sogar über die App www.ifidie.net vorbereiten, was im Todesfall die letzten Worte auf dem eigenen Facebook Profil sein sollen. Auf den Profilseiten verstorbener Personen können Schrift, Sprache, Bilder, Film und Musik vereint werden. Es finden sich dort ähnliche Symbole wie auf Online-Friedhöfen: Fotografien des realen Grabes tauchen auf und Geschichten und Texte, die Trauer oder Anteilnahme ausdrücken.

Interessant scheint auch, wie die Nutzer_innen den Umgang mit Trauer und Tod auf Facebook wahrnehmen. In einer Studie zur Kommunikation über soziale Medien in Bezug auf den Tod konnten Kelly R. Rossetto u.a. einige Einblicke in die Perspektive der Nutzer_innen bieten. Dabei kristallisierten sich verschiedene Punkte heraus: Der Erste betrifft die Information, denn einerseits wurde es als positiv wahrgenommen, dass man durch Facebook über den Tod einer nahestehenden Person selbst informieren oder informiert werden kann, andererseits gab es auch Bedenken, dass sich so falsche Informationen schnell verbreiten könnten und leicht Missverständnisse entstehen. Zudem wurde es als unpersönlich wahrgenommen, wenn man durch Facebook vom Ableben einer Person erfährt. Dabei überwog die Empfindung, dass der Trauer auf diese Weise etwas von ihrer Intimität und Ernsthaftigkeit genommen würde. Der zweite Aspekt hängt mit der Erinnerung zusammen: Die Benutzer_innen sprachen von der Möglichkeit, mithilfe von Fotos, die geteilt werden, des oder der Verstorbenen zu gedenken oder auch weiterhin Zugang auf die Pinnwand und die Beiträge ihres oder seines Facebook-Profils zu haben, um sich so zu erinnern oder ein Posting hinterlassen zu können. Doch auch Verwirrung diesbezüglich drückten die Befragten aus, etwa weil die/der Tote sich weiterhin in der Freunde-Liste befindet und beispielsweise in Pop-up Benachrichtigungen von Facebook mit seinem Namen auftauchen kann.

Das dritte relevante Element war für die Teilnehmer_innen die Gemeinschaft, also die Verbindung mit anderen Trauernden. Ein weiterer Aspekt war die Unterstützung durch andere, die dort stattfinden kann, aber auch die Möglichkeit, die Trauer andere zu verstehen und miterleben zu können. Gedanken darüber, wie viel Privatsphäre gegeben ist und wie viel Information und Trauer eigentlich geteilt werden möchte, kamen nur am Rande vor. Insgesamt ergibt sich dabei das Bild, dass Facebook im Prozess der Trauer gleichzeitig als hilfreich, manchmal aber auch als unangemessen erlebt wird.

Warum trauern im Internet?

Wie sich in der ambivalenten Wahrnehmung von der Trauerarbeit auf Facebook schon zeigt, ist es durchaus sinnvoll, die unterschiedlichen Gründe für das Online-Trauern zu betrachten. Durch ein Miteinander von realer und virtueller Welt werden die Handlungsmöglichkeiten in der Trauerkultur erweitert. Es entstehen zwei Bereiche, die nicht isoliert voneinander, sondern immer verknüpft gesehen werden müssen. Die Motive für die Nutzung der unterschiedlichen Trauermöglichkeiten des Internets sind vielfältig. Da wäre die Anonymität, die es erleichtern kann, über den eigenen Verlust, die persönliche Trauer zu sprechen. Gerade die damit zusammenhängenden neuen Formen von Kollektivbildung bilden wichtige Aspekte. Denn viele Online-Räume der Trauer – wie die beschriebenen Gedenkportale – bieten durch Foren, Selbsthilfegruppen, aber auch durch die Funktion, Kondolenzeinträge zu hinterlassen, einen Raum, um mit anderen Trauernden in Kontakt zu treten und zu interagieren. Ein Gemeinschaftsgefühl kann entstehen und die Nutzer_innen können Zuspruch durch andere erhalten, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, auch wenn man diese Personen nicht persönlich kennt.

Ein zentraler Aspekt ist, dass im Internet eine sehr individuelle Trauerarbeit erfolgen kann, etwa wenn es um die Dauer und die Gestaltung dieses Trauerns geht. Auf Internetplattformen werden bei der Trauerarbeit die öffentlich sichtbare, soziale Seite von Trauer – im Englischen als mourning bezeichnet – und das innerliche, persönliche Erleben von Trauer – im Englischen als grief bezeichnet – verbunden. Die Prozesse von mourning, die immer auch mit dem gesellschaftlich normierten Umgang mit Verlust zusammenhängen und die grief-Prozesse können hier also eng verflochten stattfinden. Trauernormen, wie etwa die erwartete und akzeptierte Dauer von öffentlicher Trauer oder auch, ob die Trauer als legitim oder illegitim wahrgenommen wird, sind auf solchen Trauer- und Gedenkseiten nicht mehr so wirksam wie im physischen Raum. Es gibt Trauer, die aus eben diesen Gründen im Alltag bzw. im eigenen sozialen Umfeld keinen Platz mehr hat. Beispielsweise bei einer Fehlgeburt oder einem Suizid, weil diese etwa in der Gesellschaft tabuisiert werden, oder auch wenn es um Langzeittrauer geht. In Fällen, in denen es also als unpassend gesehen oder empfunden wird, öffentlich Trauergefühle zu zeigen, sind die Trauerangebote im Internet ein Ort, an dem diese dennoch ausgedrückt und geteilt werden können.

Und nicht zu unterschätzen ist die zeitliche und räumliche Unabhängigkeit, die im Prozess der Trauerbewältigung bei der Nutzung von digitalen Möglichkeiten gegeben ist. In einer Gesellschaft und Zeit, die von einer steigenden Mobilität gekennzeichnet ist, spielt die Tatsache eine große Rolle, dass ein virtueller Gedenkort einen Bezugspunkt darstellen kann, der immer und von überall zu erreichen ist – sofern eine Internetverbindung vorhanden ist. Ein Online-Friedhof wird so gleichzeitig "entörtlicht" indem er nicht mehr physisch bzw. geographisch festgelegt ist, sich durch die online trauernden und gedenkenden Nutzer_innen im Medium Internet aber wieder "verräumlicht".

Mediatisierte Trauer

Die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Trauer, die durch solche digitalen Angebote für Trauernde entsteht, deutet eine "Mediatisierung" der Trauer- und Erinnerungskultur an. Menschen beziehen immer häufiger ihr soziales und kommunikatives Handeln im Alltag auf immer mehr und differenziertere Medien. Alltag und Kultur werden medial durchdrungen, die Möglichkeit der Kommunikation und Interaktion über Medien werden ausgeweitet und Entwicklungen vollziehen sich im Wechselverhältnis des Wandels von Medien und Kommunikation und des Wandels in Kultur und Gesellschaft. Das WorldWideWeb kann also als mediatisierter Kommunikationsraum betrachtet werden, welcher den Kommunikationsraum der realen Welt erweitert und neue Räume des mediatisierten Gedenkens bzw. der mediatisierten Trauer eröffnet und gestaltet.

Red. Hinweis: Der vorliegende Text beruht auf einer Seminararbeit im Rahmen der Lehrveranstaltung "Räume des Todes" (Prof. Dr. Norbert Fischer) im Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien im Sommersemester 2018

Literaturhinweise:
Artinger, Natascha: Die Darstellung von Tod und Trauer im Internet im 21. Jahrhundert. Dipl. Arb. Universität Wien 2014.
Fischer, Norbert: Geschichte des Todes in der Neuzeit. Erfurt 2001.
Gebert, Katrin: Carina unvergessen. Erinnerungskultur im Internetzeitalter. Marburg 2009 (zugleich Dissertation Universität München 2008).
Offerhaus, Anke: Begraben im Cyberspace. Virtuelle Friedhöfe als Räume mediatisierter Trauer und Erinnerung. In: Benkel, Thorsten (Hrsg.): Die Zukunft des Todes. Heterotopien des Lebensendes. Bielefeld 2016, S.339-364.
Rossetto, Kelly R./Lannutti, Pamela J./Strauman, Elena C.: Death on Facebook. Examinig the roles of social media communication for the bereaved. In: Journal of Social and Personal Relationships, Vol. 32/7 (2015), S.974–994.

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