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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Vom Parkfriedhof zum Friedhofspark: Ohlsdorf im Wandel – historisch belegt?

Das im letzten Heft an dieser Stelle kurz vorgestellte Projekt mit dem Arbeitstitel "Ohlsdorf 2050" soll die Entwicklung des bedeutenden Friedhofs langfristig und zielgerichtet so steuern, dass auf dem heutigen Friedhofsareal in Zukunft zusammenhängende Belegungs-(Friedhofs)flächen und öffentliche Grün-(Park)flächen entstehen. Der weltgrößte Parkfriedhof wird sich damit zu einem Friedhofspark wandeln.

Ein mutiges Unterfangen für kommende Generationen. Die Idee dazu ist jedoch so neu wiederum nicht. Schauen wir zurück auf das Jahr 1881 als der Friedhofsplaner und spätere Friedhofsdirektor Wilhelm Cordes in seinen Erläuterungen zum Zweiten Generalplan die Friedhofsentwicklung vom Gottesacker zum "Friedhofspark" in freier Landschaft als "geweiht durch die Vereinigung von Kunst und Natur" beschreibt und dabei anmerkt, dass bei solchen Anlagen "ein an und für sich schöner Park durch die fortschreitende Belegung mit Leichen wieder zerstört wird". Diese Erkenntnis hatte Cordes durch das Studium von Plänen und Berichten amerikanischer Friedhöfe gewonnen. Die landschaftliche Planung des Friedhofs Spring Grove in Cincinnati/USA wurde dabei für ihn zum Vorbild.

Cincinnati
Der Friedhof Spring Grove in Cincinnati/USA. Abb. aus "Vom Gottesacker zum Reformfriedhof"

In Cordes‘ Gedanken zur Grundidee seiner Planung für Ohlsdorf spiegelt sich deutlich das Vorbild wider, wie z. B. in der Ausgestaltung des Friedhofs als Arboretum (Gehölzsammlung), in Hinweisen darauf, dass der Friedhof mit seinen Gräbern bekannter Persönlichkeiten zu einer historischen Lehreinrichtung werden kann, und die Idee des Friedhofs als eine Art Freilichtmuseum. Diese Gedanken hat er in Ohlsdorf verwirklicht. Da der Friedhof in Cincinnati damals als „der Beste vom landschaftsgärtnerischen Gesichtpunkt aus“ galt, wurde er 1875 auf der Weltausstellung in Paris ausgestellt. 25 Jahre später war es dann der Ohlsdorfer Friedhof, der 1900 auf der Weltausstellung und am gleichen Ort nicht nur ausgestellt, sondern auch prämiert wurde. Wilhelm Cordes hatte nämlich u. a. Spring Grove, wie oben dargestellt, als Vorbild genommen und weiter entwickelt. Dessen wesentlichen Gestaltungsmerkmale hat sein Planer Adolph Strauch einst wie folgt kurz zusammengefasst: "Einfachheit und Zugänglichkeit des Schönen, geprägt von der Vorherrschaft von sanft fließenden Linien, Rundheit und Regelmäßigkeit, Gleichgewicht und Symmetrie, Perfektion und Ruhe". Ein Gesichtspunkt, der auch für den älteren Teil von Ohlsdorf gilt, wenn auch in abgeänderter Form.

Adolph Strauch (1822-1883) war preußischer Landschaftsgärtner und erlernte die Landschaftsgärtnerei bei dem bekannten Landschaftsgestalter Hermann Fürst Pückler-Muskau. Auf Studienreisen gelangte er u. a. nach Österreich und England. In die USA kam er in den 1850er Jahren und durch Zufall in die Stadt Cincinnati/Ohio. Hier blieb er und betreute zunächst die Gärten wohlhabender Bürger. Alsbald lernte er den dort 1845 angelegten Friedhof Spring Grove kennen und bemängelte "dass der schöne Ruheplatz der Toten nicht nach einem wissenschaftlichen Plan entwickelt" worden sei und forderte die Rückkehr zur "Ästhetik des Schönen". 1854 übertrug man ihm als dessen Direktor dann die grundlegende landschaftliche Umgestaltung des Friedhofs zu einem Gesamtkunstwerk nach seinen Ideen. Er nannte seinen Plan "landscape-lawn-plan“"(Landschafts-Rasen-Plan). Eine Bezeichnung, die künftig auch für Ohlsdorf passt.

Soweit der kurze Rückblick in die Geschichte des Parkfriedhofs Ohlsdorf zum Thema seiner landschaftlichen Gestaltung zum "Friedhofspark", verbunden mit einer gewagten These: "Fürst Pücklers Vorstellungen von der idealen Landschaft haben über Umwege auch in der Gestaltung des Ohlsdorfer Friedhofs ihren Niederschlag gefunden". So kühn dieser Gedanke auch sein mag, ein schöne Geschichte im historischen Ablauf seiner Entwicklung ist sie für Ohlsdorf allemal und zugleich Ansporn für die heutigen Ideengeber des Projektes "Ohlsdorf 2050", in der Entwicklung des Areals zu einem "Friedhofspark" vorbildhaft Friedhofsgeschichte fortzuschreiben.

Anm.: Weite Teile dieses Beitrages basieren auf Barbara Leisner: Amerikanische Parkfriedhöfe des 19. Jahrhunderts und ihre Beziehungen zum Ohlsdorfer Friedhof, in: Vom Gottesacker zum Reformfriedhof, Schriftenreihe des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof e. V., Band 7, Hamburg 1994; dieselbe u. a.: Der zweite Generalplan (1881), in: Der Hamburger Hauptfriedhof Ohlsdorf, Geschichte und Grabmäler, Band 1, Hamburg 1990.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Umgang mit alten Friedhöfen (Mai 2015).
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