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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Muriel Marondel: Lieber Tod, wir müssen reden … warum Trauer voll okay ist.

München: Komplett-Media 2017, 220 S., ISBN 978-3-8312-0449-6.

Dieses von der 1985 geborenen Redakteurin und Moderatorin Muriel Marondel verfasste Buch ist das persönlichste und ergreifendste Buch, dass ich je zum Thema Abschied und Sterben gelesen habe. Marondel verarbeitet den aus ihrer Sicht zu frühen Tod ihres Vaters, beschreibt ihren Abschiedsschmerz, diese Fassungslosigkeit die jede Person befällt, die eine andere geliebte Person für immer verliert. Marondel beschreibt das intensiv und beeindruckend, sie lässt den Lesenden dicht, sehr dicht an sich heran. Schon diese Beschreibungen machen das Buch zum Wertvollsten, was ich dazu bisher lesen durfte.

Sie geht aber einen deutlichen Schritt weiter – und das macht das Buch unverzichtbar für jeden Menschen: die Autorin beschreibt, wie sie die Rituale des Abschieds und der Beileidsbezeugungen von Freunden erlebt, lässt uns die Erschütterung spüren, die sie erlebt, wenn Freunde ihr – nachdem sie acht Wochen nach dem Tod ihres Vaters immer noch nicht auf eine Party gehen will – mutmachende "Sprüche" machen:

"Jetzt komm, Du musst erstmal wieder raus. Freitagabend gehen wir in eine Bar." "Du musst", antworte ich mir selbst. Und gehe mit in die Bar, die laut ist, viel zu laut und anstrengend. […] Und dann sage ich: "Schon okay, ich schaffe das mit der Bar." "Weil ja keiner aushält, wenn ich sage, dass ich es nicht aushalte. Niemand will mich als heulenden Tropf mit dabeihaben, versteht ihr?" (S. 28)

"Komm schon, jeder hat sein Päckchen zu tragen. Andere verlieren ihre Kinder. Stell dir mal vor, wie schlimm das ist", sagen sie. Sie stammeln irgendein Zeug für mich. Und dann laufe ich nach Hause, und ich fühle mich so einsam und gemein, weil ich doch nicht will, dass andere ihre Kinder verlieren, und ich doch weiß, wie schlimm das bestimmt ist." (S. 29)

Wer einmal um einen Menschen wirklich getrauert hat, findet sich auf jeder Seite dieses emotionalen Buches wieder, wer Trauernde begleitet, wir dies nach der Lektüre dieses Buches, bewusster und anders machen und wer das Glück hat, noch nie einen schmerzlichen Verlust erleben musste, der/dem sei dieses Buch gleichwohl empfohlen: diese Tiefe, mit der dieser Text geschrieben wurde, berührt und gibt Kraft, das Unfassbare zu verarbeiten um sich irgendwann dem Alltäglichen wieder zuwenden zu können.

"Es ist ein Wagnis, sich in die Tiefen der Trauer zu begegnen und diese Auseinandersetzung als etwas zu betrachten, was vollkommen in Ordnung ist. Weil uns eben oft nicht das Gefühl gegeben wird, dass es vollkommen in Ordnung ist, offenherzig zu leiden und sich schwach zu zeigen. Die Trauer befindet sich nicht an einem sicheren, geordneten Platz. Sie ist wild, sie ist roh, sie wälzt geebnete Bahnen um und katapultiert uns an einen Ort, der chaotisch und somit beängstigend sein kann.“

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft 150 Jahre Südfriedhof Kiel (Juni 2019).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).