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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Das Grab des Lithographen Carl Griese – eine Würdigung für Alois Senefelder in Hamburg

Der Förderkreis lässt zurzeit gerade das Grabmal des Lithografen Carl Griese restaurieren.

Grabmal Griese
Das Grabmal Griese auf dem Ohlsdorfer Friedhof vor der Restaurierung. Foto: H. Häussler

Das ist ein Anlass hier nicht nur seine Persönlichkeit sondern auch den vielseitig begabten Musiker und Theatermann Alois Senefelder (1771-1834), den Erfinder der Lithografie, zu würdigen. Dazu muss man etwas weiter in die Vergangenheit zurückgehen und an das umwälzende Werk des Mainzer Goldschmieds Johannes Gutenberg (1400–1468) erinnern, der um 1450 den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand. Bis dahin waren in Europa alle Dokumente und Bücher handschriftlich vervielfältigt worden und das galt auch für Musikalien.

Carl_Griese
Porträt des Druckers und Verlegers Carl Griese aus Hamburg gezeichnet von Christian Wilhelm Allers (Quelle: Foto vom Original, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43478981)

Sie wurden von Kopisten abgeschrieben. Erst seit dem 18. Jahrhundert wurden die Noten dann von Notenstechern auf Kupferplatten gestochen. Doch blieben Schriftsatz und Druck trotz Gutenbergs Erfindung ein mühseliges und teures Unterfangen.

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Porträt des Erfinders der Lithografie Alois Senefelder, 1834 (Quelle: Von Franz Seraph Hanfstaengl - Eigener Scan, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3170801)

Das sollte sich ändern, als Senefelder im Jahr 1796 an einem Regentag auf einem Spaziergang in München eine erstaunliche Beobachtung machte: Er sah, dass sich ein Laubblatt auf einem Kalkstein abgebildet hatte. Dies brachte ihn auf eine bahnbrechende Idee. Lange und verzweifelt hatte er nach Möglichkeiten gesucht, seine Kompositionen und Texte auf weniger kostspielige Weise zu vervielfältigen. Er hatte schon viel ausprobiert, bis er dank des Laubblattes auf dem Kalkstein einen ganz neuen Weg erfand, bei dem er die Abstoßung von Fett und Wasser nutzte: Er zeichnete die Noten mit einer fetthaltigen Kreide direkt auf einen feinporigen Solnhofer Kalkstein und verwendete den so beschichteten Stein als Druckvorlage. Die nur befeuchteten unbeschrifteten Stellen des Steins nahmen die fetthaltige Druckfarbe nicht auf. Deshalb übertrug sich die Farbe durch das Pressen des Papierblattes auf den Stein nicht auf die gesamte Fläche des Papiers, sondern nur an den Stellen, wo sich die fetthaltigen Notenstriche auf dem Stein befanden. Der Steindruck – die Lithographie – war geboren.

Senefelders Erfindung ermöglichte als "Flachdruck-Verfahren" ein seinerzeit kostengünstiges und schnelles Drucken. Es bildete die Grundlage für viele technische Neuerungen im Druckwesen. In der bildenden Kunst wird die Lithographie noch heute in ihrer ursprünglichen Art angewendet. Auch im modernen Offset-Druck für riesengroße Druckauflagen ist das Senefelder-Prinzip noch maßgebend – allerdings mit anderen Materialien und Konstruktionen. An den Erfinder wird in vielen deutschen Städten mit Straßennamen, Plätzen und Denkmälern erinnert. In der "Medienmetropole" Hamburg gibt es allerdings bisher keine Senefelder-Straße. Doch hat ihm wenigstens die Druckerei F. W. Rademacher am Zippelhaus 3, gegenüber der Speicherstadt, 1890 über dem Eingang ein Denkmal gesetzt – gemeinsam mit Johannes Gutenberg.

Zippelhaus
Zippelhaus 3 in Hamburg mit den Figuren von Alois Senefelder und Johannes Gutenberg (Quelle: Von Uwe Barghaan, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45645854)

Vom Bayerischen Kurfürsten erhielt Senefelder 1799 ein 15jähriges Privileg auf seine Erfindung, so dass er seine Idee geschäftlich ausnutzen konnte. Andererseits sorgte er selber für die Ausbreitung der neuen Drucktechnik, indem er ein Lehrbuch schrieb und Interessierte aus dem In- und Ausland in die Technik der Lithographie einwies. Auch der Hamburger Sammler und Händler Johann Michael Speckter (1764–1845) reiste zu ihm nach München. Er gründete 1818 in Hamburg die erste "Lithographische Anstalt" am Valentinskamp 274, für die er von der Stadt Hamburg für 10 Jahre ein "ausschließliches Privileg" erhielt. Nach Ablauf dieses Sonderrechts kamen in Hamburg rasch zahlreiche lithographische Betriebe hinzu, denn die Nachfrage nach Druckerzeugnissen war groß.

Carl Griese (1857–1933), dessen Grabmal nun wieder hergerichtet wird, war der Sohn eines kinderreichen Schlossers und hatte schon als Kind gern gezeichnet. Mit 12 Jahren kam er 1869 auf die Gewerbeschule der Patriotischen Gesellschaft. Obwohl dort vor allem junge Kaufleute ausgebildet wurden, musste auch viel gezeichnet werden und es wurde Schrift unterrichtet. So begegnete der junge Carl erstmals der Lithographie und das bestimmte seinen Berufswunsch. Es folgte die Lehrzeit in einer kleinen Druckerei, die ihm Einblick gab in die kreativen Arbeitsmöglichkeiten dieses dynamisch wachsenden Gewerbes. Nach weiteren Erfahrungen in einer größeren Druckerei und nach zweijähriger Militärzeit ging er von Leipzig nach Karlsruhe, um dort die Kunstakademie zu besuchen. Als er nach Hamburg zurückkehrte, gründete er - mit 23 Jahren! - am 1. Juli 1880 seine "lithographische Anstalt".

Die Aufträge kamen aus Hamburg und Umgebung. Er arbeitete zusammen mit dem Maler Oskar Schwindrazheim (1865–1952) und dem Zeichner C. W. Allers (1857–1915). Mit ihren Zeichnungen und teilweise eigenen Fotos entstanden vielfältige und repräsentative Mappenwerke über die Vier- und Marschlande, über Cuxhaven und Geesthacht, über "Die Silberne Hochzeit" und "Club Eintracht". Er druckte Karten für die Hamburger Seewarte und Plakate für die Hapag und Ansichtskarten von Hamburg und dem neuen Rathaus. Auch die aufwändige Einladungskarte zur Einweihung des Hamburger Rathauses am 26. Oktober 1897 wurde von Carl Griese gedruckt, der seinen Betrieb 1884 vom Rödingsmarkt zur Deichstraße 32 verlegte.

Werbeblatt
Werbeblatt für die „Lithographische Anstalt Carl Griese“ (Quelle: Von Carl Griese – Buch Carl Griese. Graphische Kunstanstalt 1955, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43483447)

Er war intensiv eingebunden in alle Fortschritte der Reproduktionstechnik, der Autotypie, der Photolithographie und des Lichtdrucks. Zusätzlich war er an der Entwicklung eines Photographie-Automaten engagiert (wie eine große Polaroid-Kamera), der 1888 patentiert wurde und auf der großen Hamburger Gewerbe- und Industrieausstellung, die 1889 in den Wallanlagen stattfand, mit einer Goldenen Medaille für eine "geistvolle Construktion" prämiert wurde.
Viele glückliche Umstände und Begegnungen bestimmten seinen Lebensweg. Er gab sein Können und Wissen großzügig und begeistert weiter und engagierte sich im Ehrenamt. Er lernte Justus Brinckmann kennen und schätzen, den Gründer des Museums für Kunst und Gewerbe, wurde Gründungsmitglied des Kunstgewerbevereins und später auch dessen Ehrenmitglied. Er gehörte einer Delegation der Gewerbekammer an, die mit dem Schiff 1893 eine dreiwöchige Reise nach Amerika zur Weltausstellung in Chicago machte und staunte über die dortigen Druckmaschinen.

Im Juli 1896, also 100 Jahre nach Senefelders Erfindung, betreute er im Museum für Kunst und Gewerbe eine große Kollektivausstellung der Hamburger Lithographen. Kurz danach, am 17. Mai 1897, wurde der "Prinzipalverein Senefelder" als eigener Berufsverband gegründet und Griese wurde zum 2. Vorsitzenden gewählt. Der Verein schenkte Justus Brinckmann 1902 zum 25jährigen Bestehen des Museums als technische Gesamtschau eine "Urkunde" in Form von 12 Litho-Steinplatten und darauf angefertigten Litho-Verfahren der verschiedenen Hamburger Firmen. Dargestellt wurden das Museum und sein Gründer sowie andere Hamburg-Motive, die in einer prächtigen Mappe mit den Drucken zusammengefasst wurde. 1915 spendete der Verein für den Großen Saal des Neubaus der Gewerbekammer am Holstenwall eines der 15 Glaskunstfenster, die Carl Otto Czeschka unter dem Titel "Die Handwerke" entworfen hatte.

Von 1889 bis 1919 war Carl Griese neben seinem Betrieb zusätzlich Lehrer an der Gewerbeschule für Lithographie und später an der neu gebauten Kunstgewerbeschule am Lerchenfeld. Sein Sohn Carl Siegmund Griese (1900–1972) legte am 29. August 1927 vor der Gewerbekammer seine Meisterprüfung im Steindrucker-Handwerk ab und wurde nach zwei Monaten Prokurist in der väterlichen Firma. Die Betriebsübergabe erfolgte 50 Jahre nach der Firmengründung. Carl Griese blieben so bis zu seinem Tod am 19. Mai 1933 noch einige unbeschwerte Jahre. Sein Betrieb bestand noch weiter, so dass am 1. Juli 1955 sein 75-jähriges Bestehen gefeiert werden konnte. Carl Siegmund Griese starb 1972.

Carl Griese hatte bereits 1922 seine Frau Bertha auf dem Ohlsdorfer Friedhof beerdigt. Auch er selbst fand dort seine letzte Ruhe gemeinsam mit weiteren Familienangehörigen. Der große Grabstein, eine Breitstele, erinnert an die Familie, mit deren Namen sich in Hamburg die Geschichte der Lithographie verbindet. Damit ist auch die Erinnerung und Würdigung von Alois Senefelder verbunden. Der Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof hat für 2017/2018 die Reinigung des Grabsteins in Auftrag gegeben, die in Kürze abgeschlossen sein wird, wie das Bild aus der Steinmetzwerkstatt zeigt. Dann wird der Stein wieder auf dem Friedhof zu sehen sein (Grablage: P14, 473-475).

Restaurierung
Restaurierung des Grabmals Griese im Steinmetzbetrieb Tim Pahl, Frühjahr 2018 (Foto Pahl)

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