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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Weinberg, Wiese und Teich: Über naturnahe Bestattungen in Deutschland

Im frühen 21. Jahrhundert wandelt sich die Bestattungs- und Friedhofskultur durch den Trend zu naturnahen Beisetzungen. Neben dem Friedhof wird die freie Natur zum Schauplatz von Beisetzungen. In vielen europäischen Ländern spielen Baum-, Berg-, Flussbestattungen und Ähnliches eine immer wichtigere Rolle. Auch länger geläufige Formen der Naturbestattung, wie die Seebestattung, finden in diesem Umfeld neue Beachtung. Voraussetzung ist in der Regel die Einäscherung in ökologisch verträglichen Urnen.

Allerdings stehen in Deutschland vielen Formen der Naturbestattungen die Bestattungsgesetze der Länder entgegen. Ausnahmen sind das Bundesland Bremen, das seit 1. Januar 2015 unter anderem das Verstreuen auf besonders ausgewiesenen öffentlichen Flächen erlaubt, sowie generell die Anlage von Bestattungswäldern in Waldflächen und die Seebestattung. Bestattungswälder wurden in den einzelnen Bundesländern seit 2001 schrittweise zugelassen. Die vor allem in Norddeutschland praktizierte Seebestattung ist bereits seit den 1970er-Jahren bekannt und in den Bundesländern unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenregelungen unterworfen (in Schleswig-Holstein ist sie der üblichen Aschen- bzw. Erdbeisetzung gleichgestellt). Aschestreuwiesen auf bestehenden Friedhöfen sind unter anderem aus Mecklenburg-Vorpommern bekannt (Schwerin, Rostock).

Einige Friedhofsanlagen verstehen sich ausdrücklich als naturnah und ökologisch. Dies gilt für die 2009 auf dem Neuen Teils des Friedhofs Ahrensburg (Schleswig-Holstein) eingeweihte "Wildblumenwiese". Es handelt sich um ein zwei Hektar großes, von der evangelischen Kirchengemeinde verwaltetes Areal. Es diente zunächst in seinen Randbereichen, später auf weiteren Flächen als Aschenbeisetzungsanlage. Auch Baumbestattungen sind in diesem Bereich möglich.
Die Auflösung klassischer Friedhofsstrukturen zeigt sich vor allem beim so genannten Naturfriedhof "Garten des Friedens" in Fürstenzell bei Passau, der an ein Krematorium angeschlossen ist. Abgegrenzte Grabstätten sind nicht mehr zu erkennen. Vielmehr sind vielfältig gestaltete Erinnerungsorte in eine weitgehend naturbelassene, nach geomantischen Prinzipien gestaltete Landschaft eingefügt. Der "Friedgarten Mitteldeutschland" in Kabelsketal bei Halle/Saale ist ein homogen gestalteter Natur- und Kulturraum, in den Einzel- und Gemeinschaftsgrabstätten gleichsam hineinkomponiert sind. Durch spezielle Namensgebungen erhalten die einzelnen Bereiche ihre symbolische Bedeutung.
Seit 2017 werden Bestattungen im so genannten Weinberg-Friedhof Bad Neuenahr-Ahrweiler angeboten. Inzwischen ist die fränkische Gemeinde Nordheim am Main mit einem vergleichbaren Angebot hinzugekommen, bei dem die Weinstöcke als Beisetzungsort für Aschen dienen.

Auch der Berg-Naturfriedhof "Ruheberg" in Oberried (Schwarzwald) gehört in diese Reihe. Eröffnet im Jahr 2006 als kommunaler Begräbnisplatz, können hier einzelne Urnengrabhaine oder so genannte Friedhaine erworben werden. Bei Letzteren handelt es sich um Gruppen von 12 Urnengräbern um einen Baum, die unterschiedliche Gruppierungen abbilden können: zum Beispiel Familien, Freundeskreise, Vereine oder ähnliches.
Im Umfeld zunehmender Popularität der Naturbestattungen verändern sich auch die "klassischen" Friedhöfe. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der verstärkte Einsatz von naturlandschaftlichen Elementen in der Gestaltung der Begräbnisplätze. Vielerorts werden die klassischen, abgegrenzten Reihen- und Familiengräber abgelöst durch naturnah gestalteten Miniaturlandschaften. Dazu gehören beispielsweise seit 2009 die so genannten "Memoriam-Gärten". Wie vergleichbare Anlagen auch, handelt es sich um einheitlich modellierte, zumeist themenbezogene Beisetzungsflächen, die sich als kleine Landschaftsgärten präsentieren. Die Gräber sind ohne feste Grenzen gleichsam hineinkomponiert, die Namen der Verstorbenen werden an bestimmten Stellen auf unterschiedliche Weise verzeichnet. In derart gestalteten Friedhofslandschaften lebt das klassische Landschaftsverständnis fort, jedoch in veränderter und miniaturisierter Form.
Friedhofsflächen werden - wenn vor Ort möglich - als kleine Bestattungswälder gestaltet. Auch Themen- und Konzeptfelder wie "Apfelgarten" verweisen symbolisch auf den Trend zu naturnahen Bestattungsräumen.



Friedhof Fürstenzell (Fotos: S. Hadraschek) (1 und 2)

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