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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Soldatentod und individuelles Gedenken - Zwei frühe Gefallenenfriedhöfe in Saarbrücken

Autor/in: Rainer Knauf
Ausgabe Nr. 92, I, 2006 - Februar 2006

Gefallenenfriedhöfe – viele denken dabei an nüchterne Landschaften mit monotonen Reihungen gleichförmiger Grabzeichen. Aber es gibt auch Ausnahmen.

Mit dem Ehrental von 1870 und dem Ehrenfriedhof des Ersten Weltkriegs auf dem Hauptfriedhof besitzt Saarbrücken zwei außergewöhnliche Gefallenenfriedhöfe, deren Erscheinungsbild nur bedingt militärisch-kriegerisch bestimmt ist und viel Raum für individuelles Gedenken lässt.

Das Ehrental

In den ersten Wochen des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 tobte bei Saarbrücken eine erbitterte Schlacht. Am 6. August 1870 konnten die deutschen Truppen die von den Franzosen belagerten Spicherer Höhen erstürmen. Doch es war ein Pyrrhussieg, bei dem 850 Soldaten ihr Leben ließen, 4.000 wurden verletzt. Die gegnerische Seite hatte 320 Tote, 1.660 Verwundete und 2.100 Gefangene zu beklagen.

In Anbetracht der zahlreichen Toten entschied die Stadtverwaltung Saarbrückens, im nahe beim Schlachtfeld gelegenen Mockental eine gemeinsame Ruhestätte für die Gefallenen beider Nationen zu schaffen. Parallel zur Beisetzung von Kriegstoten auf innerstädtischen Friedhöfen begann man bereits einen Tag nach der Schlacht mit der Belegung des künftigen Militärfriedhofs, der den Namen "Ehrental" erhielt. Bis April 1871 wurden hier 457 Soldaten begraben, von denen 44 in der Schlacht gefallen, die übrigen später ihren Wunden erlegen waren.

In Artikel 16 des Frankfurter Friedensvertrages vom 10. Mai 1871 verpflichteten sich die Regierungen Frankreichs und Deutschlands gegenseitig, die Gräber der auf ihren Gebieten beerdigten Soldaten zu respektieren und unterhalten zu lassen. Mit der Anlage des Ehrentals nahm die Stadt Saarbrücken diese gesetzliche Regelung bereits vorweg. In den Nachkriegsjahren wurden ehrenhalber noch einige Offiziere im Ehrental beigesetzt, ab 1885 auch deutsche Kriegsveteranen. Als Einfriedung erhielt der Friedhof damals ein großes Eisengitter, das heute nicht mehr existiert. Die Grünanlage ließ die Stadt von einer Trierer Gärtnerei ausführen. "Der Friedhof und seine Umgebung ist aufs schönste und würdigste hergerichtet: Trauerweiden und Lebensbäume beschatten die Gräber", so ein Zeitzeuge.

Üppige Vegetation zeichnet die Begräbnisstätte noch heute aus. Die Gräber sind in mehreren gebogenen Reihen angeordnet, deren äußere das im Grundriss annähernd ovale Terrain begrenzen. Erstaunlich: In einer Reihe wurden deutsche und französische Offiziere nebeneinander in Einzelgräbern beigesetzt. Dazu wurde die anfängliche Trennung von Offizieren und Mannschaftsdienstgraden bei der Belegung schon bald aufgegeben.

Den Angehörigen – deutschen wie französischen – gestattete man, ihren Gefallenen Denkmale zu setzen. Eine Fülle verschiedener Grabmale in zeitüblichen Formen, teilweise auswärts angefertigt, etwa in Bonn, Karlsruhe, sogar in Rom, wurde so im Laufe der Zeit aneinandergereiht: Grabplatten, Pultsteine, Stelen und Lehnsockel, ebenso Obelisken, Säulen, Findlinge, Grotten, Astkreuze, Ädikulen, Portalgrabmale und nicht zuletzt die im Saarraum mittlerweile wohl größte Anzahl unterschiedlicher Eisengusskreuze.

Ehrental
Grabmale für gefallene Soldaten im Ehrental (Foto: R. Knauf)

Vielfalt statt Einheit – diesen Eindruck vermitteln auch die verwendeten Symbole. Viele von ihnen sind der allgemeinen zeitgenössischen Sepulkralikonographie zuzuordnen, so die gesenkten Fackeln, die aufgeschlagene Bibel, der Anker, Efeu, Mohn, das Gottesauge, Putten, ein betender Engel, außerdem Familienwappen. Nur wenige Symbole stellen bewusst militärisch-kriegerische Bezüge her, wie etwa das "Eiserne Kreuz", eine 1813 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. für Kriegsdauer gestiftete Auszeichnung, die in späteren Kriegen erneuert wurde. Auch Eichenlaub, ursprünglich ein altgermanisches Motiv, das als Symbol für Freiheit und Nation vorzugsweise an militärischen Grab- und Denkmalen auftritt, findet sich mehrfach.

Eine politische Funktionalisierung des Soldatentodes und der Erinnerung daran, wie sie sich in der Formel "Den Gefallenen zum Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung" auf vielen Kriegerdenkmalen des 19. Jahrhunderts ausdrückte, ist nur bedingt festzustellen. Viele Inschriften nennen zwar Dienstgrad, Regiment und Auszeichnungen, der Kriegstod wird aber nur selten als "Heldentod" verklärt.

Insgesamt bietet so der Friedhof ein sehr heterogenes Bild, das weniger militärisch-kriegerisch bestimmt ist. Vielmehr haben fehlende Regelungen und Prinzipien zur Anlage von Gefallenenfriedhöfen, das friedliche Nebeneinander französischer und deutscher Soldaten sowie zahlreiche Beisetzungen in Friedenszeiten die gestalterische Annäherung an zivile Begräbnisstätten begünstigt. Und dadurch, dass Hinterbliebene ihren Angehörigen Grabmale setzen konnten, trat ihr persönliches Gedenken gegenüber dem offiziellen bzw. militärischen in den Vordergrund.

Grabmal Neufang
Grabmal Richard Neufang im Ehrental (Foto: R. Knauf)

1916 wurde der letzte Veteran im Ehrental beigesetzt, einige Umbettungen hierher folgten später noch. 1960 wurde die Anlage in den neu geschaffenen Deutsch-Französischen Garten einbezogen, als Geste der Freundschaft, der Versöhnung, aber auch der Mahnung zum Frieden zwischen den Völkern.

Der Ehrenfriedhof des Ersten Weltkriegs

Die ab 1912 einsetzenden Planungen für einen Zentralfriedhof im Süden der Stadt Saarbrücken, den heutigen Hauptfriedhof, sahen auch die Errichtung einer Gedenkhalle mit einem Ehrenfriedhof für alte Krieger, also für die Veteranen von 1870/71, die bis dahin im Ehrental bestattet wurden, innerhalb des neuen Friedhofes vor. Das verstärkte Interesse an Neuanlagen von Kriegerfriedhöfen kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs schien das Kommende in gewisser Weise vorwegzunehmen.

Der Kriegsausbruch 1914 bedingte die Einrichtung eines Ehrenfriedhofes für die am "jetzigen Kriege teilnehmenden und hier verstorbenen Krieger" auf dem Zentralfriedhofsgelände noch vor Eröffnung des Zivilfriedhofes. Bereits am 19. August 1914 erfolgte die erste Beisetzung. Von Anfang an wurden die toten Soldaten in Einzelgräbern und nicht in Massengräbern bestattet – was keineswegs selbstverständlich war, da es zu Kriegsbeginn keine einheitliche rechtliche Regelung hierzu gab. Nicht nur deutsche Soldaten, sondern auch Gefallene der gegnerischen Seite wurden hier beigesetzt.

Für eine angemessene Form der Ehrung der Gefallenen gaben zahlreiche seit Kriegsbeginn erscheinende Druckschriften Anregungen – angesichts des massenhaften Kriegstodes wurde die Gestaltung von Kriegerfriedhöfen notgedrungen zu einer wichtigen Aufgabe. Der zeitgenössischen Forderung nach einfachen geometrischen Grundrissen folgend wurden die Gräber nach Nationen getrennt in zwei konzentrischen Ringanlagen angeordnet. Jeder Ring wurde mit einer dichten Koniferenpflanzung umgeben, jedes Grab mit Efeu eingefasst und mit Rosen bepflanzt. Noch heute zeichnet sich der Ehrenfriedhof durch reiche Vegetation aus, wenngleich die Bepflanzung der Gräber schlichter geworden ist. Dafür beschatten ausgewachsene Bäume das Terrain und verleihen ihm hainartigen Charakter.

Die Gräber wurden zunächst mit provisorischen Holzkreuzen bezeichnet, deren Form- und Farbenvielfalt aber auf heftige Kritik stieß. "Das Gewollte, durch vornehme Einfachheit ein ruhiges und würdevolles Bild zu schaffen, kann dadurch nicht erreicht werden", monierte 1917 das Hochbauamt.

Bis April 1919 fanden auf dem Ehrenfriedhof 506 deutsche und 223 ausländische Soldaten ihr Grab. Soldaten der französischen Besatzungsmacht (Völkerbundzeit) wurden noch bis in die 1920er-Jahre hier beerdigt. In dieser Zeit erhielten viele Gräber von der Verwaltung normierte Grabsteine nach Entwurf des Hochbauamtes. Daneben konnten aber – ähnlich wie schon im Ehrental – die deutschen Hinterbliebenen selbst ihren Gefallenen Denkmale setzen. Auch wurden Gedenkzeichen "aus dem Felde" bei Überführungen hierher aufgestellt.

Es entstand so ein sehr eigenwilliger Militärfriedhof mit teilweise zivilem Gepräge. Viele Grabmale weisen individuelle Bezüge auf. Ihre Inschriften sind ausführlicher, offenbaren nicht selten auch Familienbezüge und damit persönliche Trauer. Der "Heldentod" ist, bedingt durch die Niederlage, kaum Thema. Die "privaten" Grabmale sind größer und aufwändiger als die normierten. Ihre Formen – Stelen, Kreuze, Pfeiler und Ädikulen – sind dem zivilen Grabmalkult entlehnt. Gleichwohl finden sich neben Berufszeichen und Wappen viele Symbole, die dem militärischen Grab- und Denkmalkult des 19. Jahrhunderts entstammen, etwa Embleme mit Helm, Schwert, Eichen-, Palm- oder Lorbeerzweig, Eichenlaub- und Lorbeerkränze und natürlich das "Eiserne Kreuz".

Auch verweisen figürliche Darstellungen auf Militärisches: der hl. Georg als Drachenbezwinger am Grab eines Dragoners, ein nackter Heroe mit Fahne am Grabmal eines Fahnenjunkers, ein berittener Ulan bei einem gefallenen Ulanen, gar ein Maschinengewehr am Denkmal eines Reservisten einer Maschinengewehr-Kompanie. Ein kniender nackter Jüngling, der den Kopf im Gestus des Verzweifelns auf einen Stahlhelm gesenkt hat, stellt quasi eine Synthese des "Heldentums" mit der Tatsache der Kriegsniederlage dar. Geflügelte Propeller und Adler mit ausgebreiteten Schwingen zieren Fliegergrabmale. Ein Relief zeigt den Erzengel Michael, Schutzheiliger der deutschen Heere, ein Grabpfeiler mit antikisierendem Helm erinnert an Offiziersgrabmale der Befreiungskriege.

Ebenso finden sich aber auch "zivile" Darstellungen, etwa die einem attischen Grabrelief nachempfundene Schlichtungsszene am Grab eines Gerichtsreferendars. Insgesamt ist der appellierende und uniforme Charakter, der sich oft bei vergleichbaren Anlagen feststellen lässt, zurückgedrängt. Begünstigt wurde diese besondere Prägung des Friedhofs durch die zeitgeschichtliche Situation. Im Deutschen Reich war der 1919 gegründete Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge schnell maßgebende und ausführende Instanz bei der Anlage von Soldatenfriedhöfen, für die er bald gerade Reihen als einer militärischen Formation entsprechend favorisierte. Im Saargebiet, das nach dem Ersten Weltkrieg von Frankreich annektiert war, konnte er aber seine Tätigkeit zunächst noch nicht überall wirksam entfalten.

Mit der ungewöhnlichen Mischung von öffentlich-militärischem und privatem Gedenken setzt so der Ehrenfriedhof des Ersten Weltkriegs die "Tradition" des Ehrentals von 1870 – wenn auch mit stärkerer Betonung des Militärischen – gewissermaßen fort.

Übrigens – auch der 1912 geplante Veteranenteil für die Kämpfer von 1870/71 wurde auf dem neuen Hauptfriedhof verwirklicht. Er wurde den Ringanlagen des Ersten Weltkriegs mittig, d.h. zwischen deutschem und ausländischem Teil, angehängt und mit diesen durch Treppen verbunden. Anfang 1918 war er fertiggestellt und wurde noch bis 1937 belegt. Auch hier variieren die Grabmale in Form, Maßen und Materialien, häufigstes Symbol ist das "Eiserne Kreuz" im Lorbeerkranz.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Religiöse Symbolik auf Grabmalen (Februar 2006).
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