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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Bildhauer und Plastische Kunst auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Wer sich in Hamburg für Skulpturen, Bildhauerei und plastische Kunst im öffentlichen Raum interessiert, findet wahrhaftig eine echte Fundgrube auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Die Kulturbehörde und das Denkmalschutzamt ließen 1990 von schätzungsweise 200.000 etwa 5.500 Grabmäler inventarisieren. 2,75 %, d.h. 3.000 wurden als erhaltenswert anerkannt und etwa 1250 private Grabmäler bis zum Jahre 1950 in den Katalog aufgenommen, die einen Anteil von etwa 0,6 % am Gesamtbestand ausmachen.

Im Personen- und Firmenverzeichnis am Ende des Registers stehen 9 volle Seiten für alle Künstler, Bildhauer, Architekten, Steinmetze und Firmen, die an der Planung oder Entstehung der katalogisierten Grabmale und Grabbauten in Ohlsdorf beteiligt waren - darunter allein über 200 Bildhauer... Hier wird der Versuch gemacht, einen kleinen Einblick in einige der hervorragendsten von ihnen zu vermitteln, die den Ohlsdorfer Friedhof auf markante Weise geprägt haben und/oder den Hamburgern manchmal auch durch andere Werke in ihrer Stadt besonders bekannt sind.

So könnte man von den ersten Künstlern erzählen, die zur Zeit der Entstehung des Ohlsdorfer Friedhofs 1877 im Hamburger Raum wirkten, als die Aufstellung von plastischem Schmuck auf Grabstätten eher noch eine Besonderheit war.

Einer der berühmtesten aus dem 19. Jahrhundert ist zum Beispiel Engelbert Joseph Peiffer, 1830-1896, der vor allem durch den Meßberg-Brunnen (1878) am Hopfenmarkt und den monumentalen Hammonia-Brunnen (1878) am Hansa-Platz sowie die beiden Portraits der Trostbrücke (1882) oder von Bugenhagen vor dem Johanneum (1885) bekannt ist. Peiffer sollte für einen Entwurf für das Denkmal für Zuerstbeerdigte 1877 beauftragt werden; das älteste von ihm signierte Grabmal steht im Heckengarten-Museum (Rachals, 1866) und auch sonst hat er einige schöne Grabmale in Ohlsdorf geschaffen, wie z. B. Schaeffer (1890, Lage T 14), Heye/Nonne (1893, V 20) oder Bonne/Reye (1895, V22).

Ein Zeitgenosse von ihm ist der Dresdner Kunstprofessor Johannes Schilling (1828-1910). Er schuf das Kaiser-Wilhelm-Denkmal (1903) und die allegorischen Gruppen, die ihn am Sievekingplatz begleiten (und beide bis 1930 bzw. 1984 früher am Rathausmarkt standen), und auch für den Friedhof zwei Grabmale: Besonders schön sind die Reliefs, die er für das Wohltäterpaar Lippert gestaltete und die das Leben der früh verstorbenen Marie Anne in Afrika und in Hamburg schildern (1897, U 23/V 23).

Die große Christusfigur von 1903-1905, die gleich am Haupteingang links den Althamburger Gedächtnisfriedhof beherrscht, stammt von einem Freund des ersten Friedhofsdirektors Wilhelm Cordes, dem Bildhauer Xaver Arnold (1848-1929) aus Triengen in der Schweiz. Er ist mit 20 Werken auf dem Friedhof vertreten und liegt selber bei der Schweizer Begräbnisstätte (L14/L 15), die er 1899 mit einer bronzenen Reliefplatte schmückte.

Als auswärtiger Bildhauer ist auch der berühmte Hans W. Dammann (1867-1942) aus Grunewald bei Berlin zu nennen, von dem Ohlsdorf gut 15 hochwertige Kunstwerke besitzt, die meisten aus der Zeit 1906-1918. Nach dem verlorenem ersten Weltkrieg war dann niemand mehr in der Lage, solche aufwendigen Aufträge zu vergeben, wie z.B. die repräsentativen Grabanlagen Keitel (1906, O 24) oder Bieber (1910, Y 24).

Der Bildhauer Carl Garbers (1864-1943), mit dem 1898-1902 Barlach zusammenarbeitete, hat in Ohlsdorf zwei schöne Grabmale hinterlassen, eine verzweifelte Trauernde (Nuerck, 1899, T 15) und das Relief eines lautenspielenden Engels (Haerlin, 1911, M 23). Im Hamburger Raum sind drei historischen Portraits von ihm zu sehen (Moltke, 1891; Simon von Utrecht, 1897; Bismarck,1906).

Der berühmte norddeutsche Bildhauer Ernst Barlach (1870-1938) - ihm verdanken wir das Relief der trauernden Mutter von 1931 auf dem Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges am Rathausmarkt - ist selber in Ohlsdorf durch die sehr schöne "Lauschende" beim Grabmal Möller-Jarke (1900, U 25/V 25) vertreten, auch wenn er sich später deutlich von diesem Frühwerk distanzierte. In den 20er Jahren zeichnete er auch den Entwurf des Katafalk-Grabmals für den Kunsthistoriker Professor Aby Warburg (R 26).

Wohl bekannt ist Hugo Lederer (1871-1940) mit seiner Plastik "Das Schicksal" von 1905 (AH 17), die bis 1956 im Garten der Familie Eduard Lippert am Alsterufer stand und wie beim Grabmal Cohen (1904, O 12/P 12) den Tod als grausame Frau darstellt - und dem noch bekannteren gewaltigen Bismarck-Denkmal (1906) am Elbpark.

Wenn man aber durch den alten Cordes-Friedhofsteil wandert, trifft man immer wieder auf den selben Namen und auf die Skulpturen des fleißigsten Bildhauers auf dem Ohlsdorfer Friedhof, des Kunstprofessors Arthur Bock (1875-1957) aus Leipzig, der zwischen 1903 und 1948 - also 45 Jahre lang - rund 50 seiner Werke hier aufstellte. Nach einem ersten eher naturalistischen Stil (z.B. Grabmale Rodatz/Roeder, 1903, R 6; ehem. Scharlach, 1903, X 20; August-Heerlein-Stift, 1904, AB 27...) arbeitete er schon in der Zeit des Ersten Weltkrieges in einer "heroischen" Art, die längst vor den Dritten Reich sehr germanisch wirkte (wie bei Nordheim, 1912, L 23; Albrecht, 1915, N 23; Schumacher, 1920, P 8; Friedrichs, 1925 N 24...). Er spezialisierte sich sehr früh auf Friedhofsarbeiten, und man findet seine Werke auch auf anderen Hamburger Friedhöfen (Altona, Großflottbek, Bahrenfeld) und sonst noch in Dresden, Eisenach, Kassel, Köln, Bad Odesloe, Kiel oder Lausanne... Im öffentlichen Hamburger Stadtbild gibt es noch etliche Zeugen seines Schaffens wie "Flüsternde Wellen" und "Stürmische Wogen" bei den Eingängen des Kontorhauses Elbhof, Steinhöft 9 (1904/05), die Allegorien der Winde (Landungsbrücken, 1909), Diana mit Hunden (Stadtpark,1911), Justitia (Oberlandesgericht, 1912), oder die ehemalige Brunnenanlage am Sievekingsplatz (1912) mit den allegorischen Plastiken der Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck und die Verkörperungen von Industrie und Seefahrt sowie Streit und Frieden.

Richard Kuöhl (1880-1961) aus Sachsen, der wie Arthur Bock jahrzehntelang mit dem Hamburger Stadtbaumeister Fritz Schumacher zusammenarbeitete, ist einer der bekanntesten Bildhauer der 20er und 30er Jahre: mit fast industriellem Ausstoß von Skulpturen in Stein und Keramik sind seine Schmuckelemente häufig in der Stadt zu sehen (Finanzdeputation am Gänsemarkt, 1918-26, Chilehaus von Fritz Höger, 1922-24...), aber auch Skulpturen wie der Rattenfänger-Brunnen (1927) im Hof der Schwalbenstraße 66 und andere herrliche Märchenfiguren z.B. am Maienweg 47 oder Fiefstücken (1931), und auch das Ehrenmal am Stephansplatz (1936) oder das Hummel-Denkmal (1938) am Rademachergang. Auf dem Friedhof ist Kuöhl mit 20 Werken in beiden Gebieten gut vertreten. Als Keramiker und Bildhauer schuf er u.a. schöne expressionistische Grabmale aus Klinker und Stein (wie Brückner, 1920, AD 36; Weissleder, 1921, P 19; Franz Bach, 1935, Q 25...), aber auch wunderschöne Mädchenskulpturen aus Marmor (Tchilinghiryan, 1926, O 12; Köser I, 1927, P 11; Köser II, 1928, O 11...) sowie den Bauschmuck und die zahlreichen Kleinplastiken an der Fassade und im Eingangsbereich des Krematoriums (1930-32). In derselben Zeit entstand die schlanke Muschelkalk-Mariensäule (1931, Y 10), die er für seine Frau schuf und die auf seinem eigenen Grab steht.

Aus dem Umkreis von Fritz Schumacher muss auch noch der Bildhauer und Maler Oskar Erwin Ulmer (1888-1963) erwähnt werden, der z.B. mit Plastiken beim Verwaltungsgebäude der Oberschulbehörde Dammtorstr. 25 (1911-13) und der Handwerkskammer am Holstenwall (1912-15) vertreten ist und der für sein Cordes-Denkmal die Büste des ersten Friedhofsdirektors schuf (1920, J 9-10). Neben schönen Kunstwerken am Stadtpark (Adam und Eva, 1933) hat er mehrmals das Thema "Mutterliebe" aufgegriffen, so eine Mutter mit Kind aus Stein vor der Frauenklinik Finkenau (1912) und eine ähnliche, aber aus Marmor (Grabmal Waege/Spruch, 1929), die inzwischen von Ohlsdorf nach München versetzt worden ist. Für den Ohlsdorfer Friedhof meißelte er später dieses Motiv noch einmal, diesmal aus Muschelkalk und mit einem Schutzdach aus Eisenblech (1945, AC 4), als Grabmal für seine Frau und sich.

Auch der bekannte Bildhauer Prof. Gerhard Marcks (1889-1981) ist in Ohlsdorf begraben. Sein Werk "Prophet und Genius" (1961, M 6) - gegenüber vom Verwaltungsgebäude am Haupteingang - empfängt seit seiner Schenkung an die Stadt Hamburg 1972 den Besucher gleichermaßen schützend und tröstend. Er schuf den Entwurf zum großen Mahnmal (1948-52) für die 36.918 Opfer der Bombennächte vom 25.07.-03.08.1943 mit dem Totenfährmann Charon, Personifikation der Gleichgültigkeit gegenüber dem organisierten Massenmord.

Für zwei andere größere Grabanlagen wurde ein zeitgenössischer Bildhauer beauftragt, Egon Lissow (geb. 1926), von dem die eiserne Dornenkrone auf roter Sandsteinplatte (1952) vor den Bombenopfergräbern bei Kapelle 10 sowie die Grabanlage für die Opfer der Flut von 1962 stammen.

Ein letzter Künstler soll noch hier erwähnt werden, Hans Martin Ruwoldt (1891-1969), von dem circa 30 Plastiken - meistens Tierdarstellungen - die Stadt Hamburg schmücken; der Ohlsdorfer Friedhof besitzt auch ein Werk von ihm, die "verhoffenden Rehe" vom Grabmal Jäger in der Nähe des Nordteiches (1934, AB 15).

Sicher gibt es noch sehr viele Namen, die genauso erwähnenswert sind, weil auch sie sehr bekannt oder ihre Werke so bemerkenswert sind... Es sollte aber von vornherein kein Überblick, sondern nur ein erster Einblick vermittelt werden; und anhand einer wohl etwas willkürlichen Auswahl die Vielfalt einer Kunst dokumentiert werden, die seit eh und je den Hamburgern und speziell den Friedhofsbesuchern Grund zur Bewunderung bringt.

Noch ein wichtiger Hinweis: Von circa 600 Persönlichkeiten, die in Ohlsdorf begraben wurden und die im neuen Friedhofsführer aufgelistet sind, findet man 21 bekannte Bildhauer - einige hier erwähnt -, darunter auch 5 Frauen (Leny Falk, 1882-1912; Elena Luksch-Makowskaja, 1878-1967; Frieda Matthaei-Mitscherlich, 1880-1970; Annemarie Vogler, 1892-1983; und Mary Warburg, 1866-1940), über die eine Menge geschrieben steht. Und es gibt natürlich auch zahlreiche größere und bescheidenere Grabmale auf dem Ohlsdorfer Friedhof, bei denen der Bildhauer leider unbekannt ist.

Dies alles sei als Herausforderung und wiederholte Einladung verstanden, sich immer aufs Neue auf den Entdeckungstrip zu machen - um z.B. das einmalige Grab (1912, W 24) der Leny Falk in Ruhe zu betrachten, das als Bronzeurne ein antikisierendes Relief darstellt mit tanzenden und musizierenden Männern, Frauen und Kindern, mit springenden Panthern und einem Kind, das auf einem Ziegenbock reitet...

Literatur:

- Heinz Zabel, Plastische Kunst in Hamburg, Skulpturen und Plastiken im öffentlichen Raum, Dialog-Verlag, Reinbek 1986

- Hermann Hipp, Freie und Hansestadt Hamburg, Geschichte, Kultur und Stadtbaukunst an Elbe und Alster, DuMont Kunst-Reiseführer, DuMont Buchverlag Köln, 1989

- Der Hamburger Hauptfriedhof, Geschichte und Grabmäler, Band 1+2, Hans ChristiansVerlag, Hamburg, 1990

- Rita Bake und Britta Reimers, Stadt der toten Frauen, Frauenportraits und Lebensbilder vom Friedhof Hamburg Ohlsdorf, Dölling und Galitz Verlag, Hamburg, 1997

- Hamburg-Lexikon, Zeiseverlag, 1998

- Helmut Schoenfeld, Der Friedhof Ohlsdorf, Gräber-Geschichte-Gedenkstätten, Christians Verlag, Hamburg, 2000

- Jens Marheinecke, Trauer, Hoffnung, Glaube...Botschaften Ohlsdorfer Kunstwerke, CBK - Productions Hamburg, März 2001

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