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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Ein neuer Erinnerungsstein im Garten der Frauen

Autor/in: Rita Bake
Ausgabe Nr. 130, III, 2015 - August 2015

Am 7. Juni 2015 weihte der Verein Garten der Frauen im Beisein der Zweiten Bürgermeisterin von Hamburg, Frau Katharina Fegebank, einen Erinnerungsstein für alle jene Frauen ein, die in Hamburg Opfer der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung wurden.

Hexenstein
Erinnerungsstein für die in Hamburg als vermeintliche Hexen verbrannten Frauen. Foto: P. Schulze

Rund 300 Besucherinnen und Besucher nahmen an der Veranstaltung teil. Dazu hier einige Auszüge aus der Rede anlässlich der Einweihung auf dem Ohlsdorfer Friedhof:

In den letzten Jahren ist in vielen deutschen Städten eine Rehabilitation der als Hexen hingerichteten Frauen und Männer durch Stadtverordnetenversammlungen und durch Kirchen erfolgt. In Hamburg ist solch eine Rehabilitation bisher noch nicht geschehen. Der Erinnerungsstein ist ein erster Schritt, um an das Unrecht zu erinnern, das den als Hexen beschuldigten Frauen in Hamburg angetan wurde.
Während des 16. und 17. Jahrhunderts wurden in Mitteleuropa zwischen 50.000 bis 60.000 Menschen, in Deutschland zwischen 20.000 bis 30.000 Personen wegen Hexerei oder Zauberei verurteilt und hingerichtet. Die Mehrzahl der Opfer waren Frauen. In Hamburg verurteilte das damalige Niedergericht mindestens 40 Frauen und einige Männer wegen Schadenzauber bzw. Hexerei. Die erste Frau in Hamburg wurde im Jahre 1444, die letzte Frau 1642 auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Hexenprozesse sind aber nicht nur ein Phänomen früherer Jahrhunderte. Auch im 20. Jahrhundert, besonders in den 1950er und 1960er Jahren, wurden z. B. in Schleswig-Holstein vor den Toren Hamburgs viele Frauen als Hexen beschuldigt. Im Zeitraum zwischen 1948 und 1965 häuften sich in allen Teilen Deutschlands die Hexen-Fälle, die als krimineller Aberglaube vor den Gerichten landeten. Es standen Menschen vor Gericht, die behaupteten, bestimmte Frauen seien Hexen, die z. B. ihr Vieh behext hätten, oder es wurden Menschen angeklagt, die sich als Hexenbanner ausgaben und mit ihrem Wirken und dem Schüren von Ängsten vor angeblichen Hexen viel Geld machten. Die Ursachen, warum vor und nach den Weltkriegen der Hexenwahn einen gewaltigen Aufschub erhielt, muss mit den seelischen und materiellen Erschütterungen und dem Zusammenbrechen festgefügter Lebensformen in Verbindung gebracht werden. Da waren zum einen die Not in den ersten Nachkriegsjahren. Zum anderen gab es auf dem Lande, bedingt durch die Flüchtlinge, eine plötzliche Überbevölkerung. Schwer zu verarbeitender Druck auf Gemeinschaft oder Individuum verstärkt irrationale Haltungen und Handlungsweisen. Dass dabei in erster Linie Frauen die Opfer sind, liegt an dem patriarchal geprägten Gesellschaftsbild.

Der Stein steht in der Erinnerungsspirale und wurde von Bert Ulrich Beppler geschaffen. Als Steinmaterial wählte er schwarzen Basalt. In dem Stein gibt es eine Öffnung, in der eine Flamme züngelt. In roter Schrift ist auf dem Stein der Name Abelke Bleken zu lesen. Das Denkmal steht exemplarisch für die in Hamburg als vermeintliche Hexen verbrannten Frauen.

Die ganze Rede ist nachzulesen unter: http://www.garten-der-frauen.de/rede_14geb_Hexen.html

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Der tote Körper (August 2015).
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